Bundesverfassungsgericht:Awacs-Einsatz 2003 war verfassungswidrig

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Der Einsatz deutscher Soldaten in Awacs-Aufklärungsflugzeugen über der Türkei 2003 verstieß gegen die Verfassung. Die damalige Regierung Schröder hätte zuvor die Zustimmung des Bundestages einholen müssen.

Angesichts des drohenden Irak-Krieges hätte der Bundestag dem Bundeswehreinsatz zuvor zustimmen müssen, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Mittwoch. Das Parlament müsse immer dann zustimmen, wenn nach den rechtlichen und tatsächlichen Umständen die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen zu erwarten sei. Geklagt hatte die FDP-Fraktion. (Az.: 2 BvE 1/03)

Ein Awacs-Flugzeug (Foto: Foto: ddp)

Die damalige rot-grüne Bundesregierung hatte keine Notwendigkeit gesehen, das Parlament vor dem Einsatz zu befragen. Dies sei Bündnisroutine innerhalb der Nato, hieß es damals. Während des Einsatzes der Awacs-Maschinen hatte im März 2003 der Irak-Krieg begonnen. Die Maschinen dienen als Warn- und Überwachungssystem und waren zum Schutz der Türkei von Februar bis April 2003 dort stationiert.

Die Flugzeuge sind nicht mit Waffen ausgestattet, konnten aber die Leitung türkischer Jagdflugzeuge übernehmen, die bei einem irakischen Angriff eingesetzt worden wären.

Die FDP sah in der fehlenden Zustimmung des Bundestages eine Missachtung des Parlaments. Ein in Karlsruhe eingereichter Eilantrag der Liberalen blieb im Jahr 2003 jedoch erfolglos. Bundeskanzler Gerhard Schröder argumentierte damals, es handele sich um Routineeinsätze der Nato. Da die vier eingesetzten AWACS-Flugzeuge nicht bewaffnet seien, müsse der Bundestag nicht zustimmen.

Das Verteidigungsministerium will das Verfassungsurteil zum Einsatz deutscher Soldaten in Nato-Flugzeugen zu Beginn des Irak-Kriegs erst nach eingehender Prüfung bewerten. Die Bundesregierung nehme die Entscheidung mit Respekt zur Kenntnis, sagte Sprecher Thomas Raabe am Mittwoch in Berlin. Sie werde das Urteil mit der gebotenen großen Sorgfalt prüfen. Für eine Bewertung sei es aber noch zu früh.

Letztes Urteil von Hassemer

Nach dem ersten Urteil des Verfassungsgerichtes von 1994 stehen bewaffnete Einsätze der Bundeswehr unter Parlamentsvorbehalt. Mit dem jetzigen Urteil steckte der Zweite Senat die Grenze ab, bis zu der eine Bundesregierung allein entscheiden kann.

In der mündlichen Verhandlung im Februar verteidigte die jetzige Bundesregierung das Vorgehen. Wäre es 2003 zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen, hätte die Bundesregierung den Einsatz beendet. Der damalige Kommandeur der Awacs-Truppe, Johann-Georg Dora, sagte jedoch, dass ein Rückzug der Bundeswehrsoldaten den gesamten Awacs-Einsatz stark behindert oder unmöglich gemacht hätte.

Die Urteilsverkündung stand zum letzten Mal unter der Leitung von Vizepräsident Winfried Hassemer. Bereits am Nachmittag sollte dem scheidenden Verfassungsrichter und Senatsvorsitzenden die Entlassungsurkunde überreicht werden. Hassemer hat mit 68 Jahren die Altersgrenze erreicht und wird von dem Freiburger Universitätsrektor Andreas Voßkuhle abgelöst.

© dpa/Reuters/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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