Bundestags-Vizepräsident:Biskys letzte Chance

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Dreimal trat der Linksparteichef zur Wahl des Bundestags-Vizepräsidenten, dreimal vergeblich. Doch Bisky gibt nicht auf und unternimmt heute einen neuerlichen Anlauf. Die Erfolgsaussichten sind freilich gering.

Robert Roßmann

Lothar Bisky unternimmt an diesem Dienstag einen letzten Anlauf, doch noch Vizepräsident des Bundestags zu werden. Der Vorsitzende der Linkspartei war in der konstituierenden Sitzung am 18. Oktober dreimal durchgefallen, ein in der Bundestagsgeschichte einmaliger Vorgang. Wie die neuerliche Abstimmung ausgehen wird, war am Montagabend noch nicht abzusehen.

Zwar empfahlen die parlamentarischen Geschäftsführer von SPD und Grünen, Olaf Scholz und Volker Beck, ihren Fraktionen die Wahl Biskys. Zusammen mit den Voten der Linkspartei-Abgeordneten würde das reichen. Allerdings gab es in der SPD-Fraktion noch erhebliche Vorbehalte gegen den 64-Jährigen.

Viele ostdeutsche Abgeordnete, aber auch Mitglieder des konservativen Seeheimer Kreises stören sich an Biskys jahrzehntelanger SED-Mitgliedschaft und seiner geringen Distanz zur DDR-Führung. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass Bisky als Bundesvorsitzender seiner Partei nicht gerade eine Idealbesetzung für das überparteiliche Amt im Präsidium sei. Der Sprecher der Seeheimer, Johannes Kahrs, sagte, die Linkspartei sei Rechtsnachfolgerin der SED. Er wisse deshalb noch nicht, wie er abstimmen werde.

Relative Mehrheit reicht

Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) empfahl der Linkspartei, statt Bisky einen anderen Kandidaten zu nominieren. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt sagte, er habe seinen Kollegen Gregor Gysi ohne Erfolg auf die Risiken einer neuen Kandidatur Biskys hingewiesen. Er werde den FDP-Abgeordneten keine Empfehlung für die Abstimmung geben.

Die große Mehrheit der Unionsfraktion wird dem Linkspartei-Chef voraussichtlich erneut die Ja-Stimme verweigern. Laut Paragraf 2 der Geschäftsordnung des Bundestages steht allen Fraktionen ein Vizepräsident zu. Allerdings sind die Abgeordneten nicht gezwungen, jeden Vorschlag zu akzeptieren.

Bei der heutigen Abstimmung benötigt Bisky nur eine relative Mehrheit. Die Linkspartei rechnet damit, dass 220 bis 250 der 614 Abgeordneten mit Ja stimmen und sich ähnlich viele enthalten. Dies würde für die Wahl Biskys reichen. Sollte der Parteivorsitzende erneut durchfallen, werden die Sozialisten voraussichtlich keinen neuen Kandidaten benennen, sondern den ihnen zustehenden Posten einige Monate vakant lassen. Vor drei Wochen war Bisky im dritten Wahlgang mit 248 zu 258 Stimmen unterlegen.

© SZ vom 8.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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