Bundesparteitag der Linken:Eklat bei der Wahl eines Stasi-Spitzels

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Die Folge: Schatzmeister Bernhard Walther muss sein Amt ruhen lassen. Eine große Mehrheit der Delegierten stimmte für die Fusions mit der WASG.

Robert Roßmann

Die Linkspartei hat einen weiteren Schritt in Richtung Fusion mit der Wahlalternative (WASG) unternommen. Auf einem Bundesparteitag in Dresden billigten die Delegierten mit großer Mehrheit das "Rahmenabkommen zum Parteibildungsprozess" mit der WASG.

Es sieht eine Fusion der beiden Parteien bis spätestens 30.Juni 2007 vor. Umstritten war dagegen die Einführung von Doppelmitgliedschaften. Der Bundesvorstand fiel mit einem entsprechenden Antrag zunächst durch. Erst in einer zweiten Abstimmung erreichte er die nötige Zweidrittelmehrheit.

Zuvor war es bereits bei der Wahl des Bundesschatzmeisters zu einem Eklat gekommen. Trotz Bedenken der WASG wählten die Delegierten Bernhard Walther in das vierthöchste Parteiamt. Der 47-Jährige hatte 1981 eine Verpflichtungserklärung als IM unterschrieben und war bis zum Ende der DDR Spitzel für den Staatssicherheitsdienst.

Angesichts der Proteste erklärte Walther, er nehme die Wahl zwar an, lasse seine neue Aufgabe aber bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen. Die Debatte um Walther offenbarte, dass die Mehrheit der Linkspartei immer noch zu keinem offenen Umgang mit der Stasi-Vergangenheit bereit ist.

Walther hatte in seiner Bewerbungsrede eher beiläufig erklärt, vor 24 Jahren freiwillig eine Verpflichtungserklärung unterschrieben zu haben. Erst auf Nachfragen von Delegierten sagte er, die DDR sei ein "wertvoller Versuch" gewesen, ein sozialistisches Land auf deutschem Boden aufzubauen.

Er habe deshalb gedacht, bei seinen West-Kontakten als Außenhändler "etwas im Sinne der DDR machen" zu müssen. Offenbar gab Walther der Stasi Tipps, wen sie im Westen erfolgreich ansprechen könnte. Außerdem habe er "Berichte über die Situation in meinem Betrieb" geschrieben, sagte Walther.

Dabei sei es "im Wesentlichen um Sachen" und nicht um Kollegen gegangen. Der Ökonom arbeitete von 1981 bis 1990 beim Außenhandelsbetrieb SKET Export-Import. Weitere Auskünfte verweigerte Walther. Er verwies darauf, vor seiner Kandidatur den Bundesvorstand und die Landesvorsitzenden über die IM-Vergangenheit informiert zu haben.

Die Partei habe daraufhin entsprechend den Statuten seine Stasi-Akte angefordert. Diese liege aber noch nicht vor, er wolle deshalb keine weiteren Angaben machen.

Die Tagungspräsidentin Kerstin Kaiser bemühte sich, die Debatte schnell zu beenden. Sie hatte 1994 auf ihr Bundestagsmandat verzichten müssen, weil sie in ihrer Studienzeit in Leningrad (heute St.Petersburg) Spitzelberichte über Mit-Studenten verfasst hat. Zum Abschluss der kurzen Debatte gab Kaiser Ellen Brombacher das Wort zu einer persönlichen Erklärung.

Die frühere FDJ-Chefin von Ostberlin warf den Fragestellern unter dem Applaus vieler Delegierter "inquisitorische Züge" vor und verteidigte die Stasi als notwendige Einrichtung. Nach der persönlichen Erklärung Brombachers wurde Walther mit 235 von 343gültigen Stimmen gewählt. Der Reformer Dietmar Bartsch, über dessen Kandidatur als Bundesgeschäftsführer gleichzeitig abgestimmt wurde, erhielt nur 220Stimmen.

"Super-GAU verhindert"

Um eine Eskalation des Stasi-Streits mit der Wahlalternative zu vermeiden, brachten Mitglieder der Linkspartei-Führung Walther noch vor der Bekanntgabe des Ergebnisses dazu, sein Amt vorläufig nicht anzutreten. Dadurch sei "ein Super-GAU" vermieden worden, sagte WASG-Chef Klaus Ernst.

In der Wahlalternative hatte bereits das Verhalten des Bundestagsabgeordneten Lutz Heilmann für Verärgerung gesorgt. Das Linkspartei-Mitglied hatte vor der Wahl im September seine Tätigkeit als hauptamtlicher Personenschützer bei der Stasi absichtlich verschwiegen.

Linkspartei-Chef Lothar Bisky sagte nach der Abstimmung, er habe weiter Vertrauen zu Walther. Nach Offenlegung der Stasi-Akte werde er sein Amt als Schatzmeister ausüben können. Bis dahin übernehme er selbst kommissarisch die Funktion.

Bisky hatte Walther dem Parteitag vorgeschlagen. Mehrere Bundesvorstandsmitglieder bezeichneten dies als "schweren Regiefehler". Offenbar habe Bisky die Brisanz des Themas unterschätzt, hieß es. Walther hätte erst nach einer vollständigen Klärung der Vorwürfe antreten dürfen. So habe man den unerfahrenen Walther ohne Not "verheizt" und das positive Fusionssignal zerstört, das von dem Dresdner Parteitag hätte ausgehen sollen.

Oskar Lafontaine, Spitzenkandidat der WASG bei der Bundestagswahl, sagte, der Fall müsse jetzt in Ruhe geklärt werden. Sollten sich aus den Akten gravierende Vorwürfe ergeben, dürfe Walther das Amt nicht antreten.

© SZ vom 11.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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