Bundesländer:Klar wie 16 Meinungen

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„Die Lage verschlechtert sich täglich“: Der bayerische Regierungschef Markus Söder (CSU) leitet derzeit die Konferenz der Ministerpräsidenten. Die Bundesländer wechseln sich jährlich im Vorsitz ab. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Ministerpräsidenten suchen eine gemeinsame Linie bei der Bekämpfung der Gefahren durch das Virus. Ganz einfach scheint das nicht zu sein.

Von Nico Fried

Es gibt 16 Bundesländer, aber am Tisch in der bayerischen Landesvertretung saßen am Donnerstag nur 15 Ministerpräsidenten. Winfried Kretschmann, der Regierungschef in Baden-Württemberg, musste passen: Ein Landtagsabgeordneter seiner Grünen-Fraktion hatte Kontakt zu einer Person, die positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Wer in räumlicher Nähe mit dem Abgeordneten war, soll nun Kontakte vorsorglich vermeiden. Also schickte Kretschmann seinen Staatskanzleichef Florian Stegmann zur Konferenz der Ministerpräsidenten, die sich später auch noch mit Kanzlerin Angela Merkel trafen.

So war das Thema quasi von Anfang an gesetzt. Bayerns Regierungschef Markus Söder, Vorsitzender und Gastgeber der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), nahm schon nach der Sitzung der Länderchefs kein Blatt vor den Mund: "Die Lage verschlechtert sich täglich." Viele Befürchtungen der vergangenen Wochen hätten sich bestätigt. Man wolle keine Panik schüren, aber eines sei klar: "Wir dürfen Entwicklungen nicht hinterherlaufen." Man müsse auch aus internationalen Erfahrungen lernen, so Söder. Niemand solle verunsichert werden, aber es sei wichtig, deutlich zu machen, "wie ernst die Lage ist".

Je höher die Fallzahlen, desto höher die Bereitschaft zu drastischen Schritten

Söder verwies auf drastische Maßnahmen in Nachbarstaaten Deutschlands und forderte, sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen, "und zwar ernsthafter als bisher und klarer in der Entscheidung". In den vergangenen Tagen hatten die unterschiedlichen Entscheidungen zu Großveranstaltungen wie zum Beispiel Fußballspielen für Verwirrung und Verärgerung gesorgt. Es sei wichtig, über Maßnahmen und ihre Folgen nachzudenken, aber es sei auch wichtig, gegenüber der Bevölkerung "Führung und Klarheit zu zeigen". Nur so könnten sich die Menschen auch auf Veränderungen einstellen.

Das aber bedeutet nun mitnichten, dass alle das Gleiche tun. Die Beurteilung der Lage sei zwischen den Ministerpräsidenten "differenziert", so Söder, was manche Unterschiede in den Einlassungen während der Sitzung wohl eher diplomatisch umschreibt. Tatsache ist jedoch, dass sich die Fallzahlen an Corona-Infektionen von Land zu Land unterscheiden, wobei Grenzländer wie Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Bayern höhere Quoten haben als zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern. Teilnehmern zufolge bestimmte die Zahl der Fälle auch die Sensibilisierung für das Thema und die Bereitschaft zu drastischeren Maßnahmen.

Man wolle sich unter den Ländern besser koordinieren, trotzdem bleibe jeder Landesregierung vorbehalten, "ihre Entscheidung aufgrund ihrer Situation zu treffen", so Söder. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher als Vertreter der von der SPD regierten Länder, sagte, es gebe unter anderem Unterschiede zwischen Stadt- und Flächenländern, deshalb sei es "durchaus denkbar, dass bei regional unterschiedlichen Lagen auch regional unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden". Man müsse die Situation aber jeden Tag neu bewerten. Was heute noch nicht nötig sei, könne schon nächste Woche erforderlich sein, so Tschentscher.

Die Wirtschaft brauche mehr Hilfe, sagt Söder

Am Abend, nach fast sechs Stunden Diskussion im Kanzleramt, an der auch drei medizinische Experten von der Berliner Charité teilgenommen hatten, verkündeten Angela Merkel, Söder und Tschentscher dann erste Entscheidungen, die aber weniger weitreichend ausfielen als in EU-Nachbarstaaten. So zeichnet sich ab, dass mehrere große Flächenländer wie Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen alsbald Schulschließungen anordnen werden. Kanzlerin Merkel rechnet damit, dass sich die anderen Länder nach und nach anschließen werden, die Unterschiede würden wohl "nur wenige Tage" betragen. Einig war man sich, dass gerade für die Kinder von Personal im Gesundheitswesen eine Betreuung ermöglicht werden müsse, damit es nicht in Krankenhäusern und Pflegeheimen zu Ausfällen kommt, weil sich Ärzte oder Pflegekräfte um den Nachwuchs kümmern müssen. Konkret heißt es in einem Beschluss vom Abend auch, dass alle planbaren Operationen, Aufnahmen und Eingriffe in Krankenhäusern verschoben werden sollen, wenn sie medizinisch nicht zwingend notwendig sind. Das solle ab Montag für unbestimmte Zeit gelten. Für die damit verbundenen Kosten soll es staatliche Hilfen geben, so Söder, der von einem Schutzschirm für Krankenhäuser sprach. Auch soll die Versorgung mit medizinischem Material optimiert und die Zahl der Intensivbetten erhöht werden.

© SZ vom 13.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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