Bürokratie:Der Mann ohne Geburtstag

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Ein afghanischer Flüchtling darf zwar inzwischen studieren, die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt Gelnhausen verweigert ihm aber den Führerschein. Denn: Der Mann kann nicht amtlich nachweisen, dass er überhaupt geboren ist.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

In jenen Wochen im Herbst des vergangenen Jahres war viel davon die Rede, dass - wer die Integration von Flüchtlingen voranbringen wolle - vielleicht nicht zu bürokratisch sein sollte. Ein kluger Rat. Er galt vermutlich Ämtern wie der Fahrerlaubnisbehörde in Gelnhausen.

Im hessischen Gelnhausen hatte vor dreieinhalb Jahren ein junger Mann aus Afghanistan vorgesprochen, er wollte den Führerschein machen. Ein echter Vorzeigeflüchtling, der in Deutschland nur drei Jahre nach seiner Ankunft Abitur gemacht und danach ein Ingenieur-Studium begonnen hatte. Den Führerschein brauchte er, um nebenher Taxi fahren zu können; er hatte schon ein Angebot eines Taxi-Unternehmers, sagt sein Anwalt.

Nun muss, wer einen Führerschein machen will, erstens 18 und zweitens überhaupt geboren sein. Weshalb die Behörde - Paragraf 21 Absatz 3 Fahrerlaubnisverordnung - eine Geburtsurkunde, einen Personalausweis oder Pass verlangte; Familienstammbuch wäre auch in Ordnung. Und damit begann das Problem. Der Student, geflohen vor politischer Verfolgung, konnte zwar ein Papier der Asylbehörde vorlegen, wonach er am 15. Oktober 1993 in Kandahar geboren ist. Doch weil das Datum auf seinen eigenen Angaben beruhte, sagte die Behörde Nein. Keine Urkunde, kein Führerschein.

"Das ist ein typisches Beispiel für den Amtsschimmel", schimpft sein Anwalt Klaus Wetzel. Der Streit wanderte durch die Gerichtsinstanzen. 2014 gab das Verwaltungsgericht Frankfurt dem Asylbewerber recht, im Jahr darauf bestätigte der Hessische Verwaltungsgerichtshof das Urteil: Das Papier der Asylbehörde genüge als "amtlicher Nachweis", weil das Dokument nun mal von einem "Träger öffentlicher Gewalt" ausgestellt worden sei. Verwechslungsgefahr? Unwahrscheinlich, das Geburtsdatum - ob nun richtig oder falsch - finde sich in all seinen Papieren. Und dass der längst mitten im Studium stehende Mann noch nicht 18 Jahre alt sein könnte, sei ja wohl auszuschließen.

Die Fahrerlaubnisbehörde gab freilich nicht auf und zog vor das Bundesverwaltungsgericht. Ohne Erfolg: Das oberste Verwaltungsgericht in Leipzig hat an diesem Donnerstag den Weg zum Führerschein endgültig freigemacht. Weder sei hier die Altersfrage zweifelhaft noch der Abgleich mit dem Bundeszentralregister problematisch. Außerdem enthalte das Aufenthaltspapier ein Foto - das genüge, um die Identität des Fahrschülers zu prüfen.

© SZ vom 09.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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