Bürgerrechte:Beschränkter Dialog

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Seit drei Jahren findet in China der schärfste Angriff auf die Bürgerrechte seit Jahrzehnten statt. Und Peking ist nicht interessiert an Kritik.

Von Kai Strittmatter, Peking

Bundeskanzlerin Merkels Besuch in China kommt zu einer Zeit, in der jegliche Gespräche jenseits des Geschäftlichen noch schwieriger geworden sind. Know-how und Hightech, von denen Chinas Wirtschaft profitiert, sind weiterhin erwünscht, andere Ideenimporte aus dem Westen aber werden von der KP mittlerweile offen als subversiv und herrschaftsgefährdend gebrandmarkt. Das bekommen westliche Journalisten und NGO-Mitarbeiter zu spüren, aber auch Akademiker und Politiker, wie der CDU-Mann Michael Brand, der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, dem China im Mai die Einreise verweigerte.

Parteichef Xi Jinping hat die Schrauben an allen Fronten angezogen, er kontrolliert das Internet, bringt mutige Medien zum Verstummen und erstickt die eben noch keimende Zivilgesellschaft. Seit drei Jahren nun ist in China der schärfste Angriff auf Meinungsfreiheit und Bürgerrechte seit Jahrzehnten zu beobachten. Und letzte Woche erst machte die mächtige Disziplinarkommission der KP eine Attacke gegen den Propagandaapparat öffentlich. Alle, die gedacht hatten, dass die öffentliche Debatte kaum noch ideologiebeladener werden könnte, wurden nun eines Besseren belehrt. Im Gegenteil, schreibt die Kommission: Die Propaganda sei noch immer viel zu lax, die Medien, das Internet, aber auch die Unis müssten ideologisch noch viel mehr auf Linie gebracht werden.

Auch Deutschland leidet unter der Verschärfung des NGO-Gesetzes

Deutschland hat mit China seit Jahren bilaterale Instrumente laufen, auf die es einst stolz war: darunter einen Menschenrechts- und einen Rechtsstaatsdialog. Die beiden Foren aber sind mittlerweile noch zahnloser, als sie es zuvor schon waren. Das liegt an der zunehmenden Repression, das liegt aber auch daran, dass China zunehmend die zentralen Begriffe westlicher Demokratien kapert, so auch den Begriff "Rechtsstaat". Xi spricht oft von "Rechtsstaatlichkeit", aber er meint damit etwas anderes als westliche Demokratien. Recht und Gesetz sind für die KP mehr denn je Instrumente zur Sicherung ihrer Herrschaft. Xi selbst nannte das Recht "den Schaft des Messers in den Händen der Partei", den die KP nie aus der Hand geben dürfe. Im vergangenen Jahr hat die Partei ein Bündel von Gesetzen durch den Volkskongress gedrückt oder vorbereitet: eines zur nationalen Sicherheit, eines zur Cybersicherheit, eines zu Nichtregierungsorganisationen - sie alle dienen dem vagen Begriff der "Nationalen Sicherheit".

Die Deutschen und die anderen Ausländer bekommen das nun zum Beispiel beim NGO-Gesetz zu spüren. Sämtliche regierungsunabhängigen Organisationen unterstehen in China künftig der Kontrolle der Polizei. Diese bewilligt die Zulassungen der Organisationen, überwacht ihre Arbeit und darf die Erlaubnis auch wieder entziehen, wenn etwa das "nationale Interesse" - in Wirklichkeit das der KP - bedroht ist. Wie sich zur großen Sorge der Deutschen herausstellt, wird das Gesetz so weit interpretiert, dass in Zukunft selbst die Außenhandelskammern oder wissenschaftliche Organisationen wie das Fraunhofer-Institut darunter fallen. Schon jetzt berichtet die Berliner China-Denkfabrik "Merics" von "offenen Repressalien im zwischengesellschaftlichen Austausch" von Seiten Pekings, selbst bei Veranstaltungen, die auf deutschem Boden stattfinden. "Ohne harte Konflikte oder harte Gegenwehr wird es nicht mehr gehen", meint Merics-Chef Sebastian Heilmann.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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