Bürgerkriegsland:Erdoğan kann in Libyen intervenieren

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Das türkische Parlament erlaubt die Entsendung von Truppen in das Bürgerkriegsland. Die Regierung begründet ihre Parteinahme in dem Konflikt auch mit Gasvorkommen im Mittelmeer.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

In einer Sondersitzung hat das türkische Parlament am Donnerstag die Entsendung von Truppen in das Bürgerkriegsland Libyen erlaubt. Die Zustimmung galt angesichts der Mehrheitsverhältnisse schon zuvor als sicher. 325 Parlamentarier der konservativ-islamischen Regierungspartei AKP und der ultranationalistischen MHP stimmten dafür, 184 Politiker der Opposition dagegen. "Wir wollen nicht, dass das Blut unserer Soldaten in der arabischen Wüste vergossen wird", sagte der Chef der größten Oppositionspartei, der säkularen CHP, Kemal Kılıçdaroğlu.

Die Regierung argumentierte dagegen, die militärische Unterstützung für die von den Vereinten Nationen anerkannte Regierung von Fayez al-Serraj in Tripolis sei für die Türkei auch wegen ihrer eigenen Interessen im östlichen Mittelmeer wichtig. Damit ist die Ausbeutung möglicher Gasvorkommen im Meeresboden gemeint. Auch dazu hatte Ankara jüngst mit Tripolis ein hochumstrittenes Abkommen über gemeinsame Seegrenzen geschlossen.

Die Parlamentsentscheidung wurde auf Drängen von Präsident Recep Tayyip Erdoğan vorgezogen, zunächst war ein späterer Termin geplant. Die Erlaubnis soll für ein Jahr gelten, sagte Vizepräsident Fuat Oktay der Agentur Anadolu. Wie viele Soldaten Ankara schicken werde, ließ er offen. Oktay sagte, man werde "die notwendige Zahl entsenden, wann auch immer es nötig ist". Sollte der libysche Kriegsherr Khalifa Haftar seine Offensive auf Tripolis stoppen, könne die Türkei auf die Truppenstationierung verzichten, so Oktay.

Deutschland hat die Ausrichtung einer internationalen Friedenskonferenz für Libyen angeboten. Kanzlerin Angela Merkel verfolgt die Pläne des Nato-Partners in Libyen mit Sorge. Merkel will noch im Januar in die Türkei reisen. Am Mittwoch wird in Ankara aber zunächst Russlands Präsident Wladimir Putin erwartet. Russland unterstützt Haftar, der Gebiete im Osten Libyens kontrolliert.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, die Türkei habe schon 300 syrische Kämpfer nach Libyen geschickt und bereite weitere 1600 syrische Söldner darauf vor. Ankara und Tripolis wiesen den Bericht zurück.

Auch das Abkommen der Türkei mit Tripolis über die Seegrenzen wurde von der EU bereits kritisiert. Griechenland und Zypern bezeichneten es als Provokation, weil griechische Inseln darin nicht berücksichtigt werden. Davor hatten wiederum auch Zypern, Israel, Ägypten und Griechenland eigene Wirtschaftszonen im Meer festgelegt, in denen sie nach Erdöl und Gas bohren wollen oder dies bereits tun.

Am Donnerstagabend wollten die Regierungen von Griechenland, Zypern und Israel in Athen eine Vereinbarung über den Bau einer Unterwasserpipeline unterzeichnen, die von Israel über Zypern, nach Griechenland und dann weiter nach Italien verlaufen soll. Die Kosten werden auf sechs bis sieben Milliarden Euro geschätzt. Etwa 1300 der rund 2000 Kilometer dieser "Eastmed-Pipeline" sollen unter Wasser liegen, in einem bis zu 3000 Metern tiefen Seegebiet. Technisch gilt das Projekt als hochanspruchsvoll, es gibt auch Zweifel an der ökonomischen Rentabilität.

© SZ vom 03.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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