Bürgerkrieg in Syrien:Gespenster in Uniform

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Regierungssoldaten suchen nach Deckung in der zerbombten syrischen Stadt Aleppo. Viele Straßen und Städte in Syrien liegen nach monatelangem Beschuss durch Armee und Rebellen in Trümmern. (Foto: REUTERS)

Die Verluste der Armee von Syriens Machthaber Assad sind groß. Doch für den schmutzigen Teil des Bürgerkriegs - für Mord, Folter und Vergewaltigung - sind hauptsächlich Milizionäre verantwortlich. Die bekommen jetzt offizielle Uniformen. Und Hilfe aus Teheran.

Von Tomas Avenarius, Kairo

"Schabiha", Gespenster, heißen die Milizionäre, die für einige der schlimmsten Massaker im syrischen Bürgerkrieg verantwortlich sein sollen. Die Hilfstruppen von Staatschef Baschar al-Assad kämpfen neben dem Militär, widmen sich dem schmutzigsten Teil des Bürgerkriegs: Mord, Folter, Vergewaltigung, Entführung, Plünderung. Diese Gespenster gewinnen nun offizielle Gestalt.

Präsident Baschar al-Assad hat kürzlich die Aufstellung einer "Nationalen Verteidigungsarmee" verkündet - die Schabiha sollen in staatlicher Uniform kämpfen. Sie stehen dabei nicht allein. Der Sender al-Arabija berichtet, in Damaskus seien inzwischen auch ausländische Pro-Assad-Kämpfer im Einsatz: Schiiten aus Irak, Libanon, Pakistan und Iran. Sie kämpften als "Abu Al-Fadl al-Abbas-Brigade" unter der syrischen Flagge und seien in der Nähe eines berühmten schiitisches Heiligtums stationiert - das soll die Kampfkraft auf fremdem Boden stärken.

Nun sind bei einem saudischen Sender wie al-Arabija Zweifel angebracht. Saudi-Arabien steht sowohl mit Iran als auch mit Syrien auf Kriegsfuß. Aber Berichte anderer Medien ergänzen das Bild eines um sein Überleben kämpfenden Präsidenten, der sich zunehmend auf seine iranischen Bundesgenossen stützen muss.

Die Nachrichtenagentur Reuters hat mit vier syrischen Pro-Assad-Kämpfern gesprochen. Alle haben unabhängig voneinander bestätigt, in Iran im Guerillakampf ausgebildet worden zu sein: "Wir übten Häuserkampf, zwei Wochen lang", berichtete einer der Befragten, ein Christ aus Homs. Regelmäßig gingen Flüge vom syrischen Latakia nach Teheran, die Ausbildungscamps seien eine Autostunde von der Hauptstadt entfernt, die Syrer würden streng abgeschirmt. Unter ihnen seien Mitglieder aller syrischen Minderheiten: Alawiten wie Präsident Assad, aber auch Christen und Drusen.

Die Regierung in Teheran bestreitet jede militärische Zusammenarbeit oder den Einsatz iranischer Offiziere: Man leiste nur politische und humanitäre Hilfe. Auch Damaskus dementierte: "Wir bilden seit 2006 Einheiten im Guerilla-Krieg aus, weshalb sollten wir Leute nach Iran schicken?"

Aber das muss keiner glauben: An iranischen Waffenlieferungen im großen Stil besteht kein Zweifel. Mehrfach sind Iraner im Bürgerkriegsland von den Aufständischen gefangen genommen worden, einmal geriet ein Bus voller Revolutionsgardisten in die Hände der Rebellen. Und die Berichte über militärisches Training der Assad-Milizionäre durch den Teheraner Bundesgenossen passen zu dem, was der Herrscher zum Jahresanfang angekündigt hat: Die Aufstellung einer "Nationalen Verteidigungsarmee" und zusätzlich dazu von "Volkskomitees", einer Art Bürgerwehren.

Der Assad-Plan soll auf einen der wichtigsten iranischen Strategen im syrischen Bürgerkrieg zurückgehen: Qasim Sulaimani, General der Iranischen Revolutionsgarde (Pasdaran) ist Befehlshaber der im Ausland eingesetzten "Al-Quds-Truppe", der Eliteeinheit der Islamischen Republik und einer der maßgeblichen Männer in Iran.

Eine zuverlässige Parallelstruktur zu einer nach zwei Jahren Krieg angeschlagenen Armee soll die "Verteidigungsarmee" sein. Die Verluste der regulären Truppen sind hoch, die Loyalität gering. Verlassen kann der Präsident sich nur noch auf Teile des Offizierskorps und auf Eliteeinheiten, in denen Mitglieder seiner Volksgruppe, der Alawiten, kämpfen. Reguläre Einheiten werden angeblich mit wenig Munition und selten mit schweren Waffen in den Kampf geschickt: Aus Angst, sie könnten mit ihren Panzern zu den Aufständischen überlaufen. Dies würde in Teilen die Erfolge der nach wie vor schlecht bewaffneten Rebellen erklären.

Das Londoner "Institut für strategische Studien" hat errechnet, dass das Regime bereits die Hälfte seiner etwa 220.000 Soldaten verloren hat: tot, verletzt oder desertiert. Von hohen Verluste der Regierungsarmee geht auch eine syrische Menschenrechtsorganisation aus. Laut Reuters gaben die Teheraner Ausbilder den syrischen Milizionären daher auch Folgendes mit: "Wenn ihr der Nationalen Verteidigungsarmee nur beigetreten seid, um zu plündern, statt euer Heimatland zu verteidigen, werdet ihr einen hässlichen Tod sterben und zur Hölle fahren."

Eine angebliche iranische Geheimanalyse zieht nach zwei Jahren Anti-Assad-Aufstand ein bemerkenswertes Fazit: Ohne die Hilfe der Iraner sei der Zusammenbruch des Assad-Regimes ausgemachte Sache. Al-Arabija berichtete Ende vergangenen Jahres unter Berufung auf das Papier, Teheran glaube langfristig nicht mehr an Assads Überleben. Dessen Mannschaft ignoriere iranische Ratschläge, große Teile der Teheraner Finanzhilfe landeten auf Privatkonten korrupter Offiziere und Regierungsvertreter.

Teheran habe heimlich Kontakt zu Teilen der Anti-Assad-Front aufgenommen, wolle aber mit Entscheidungen bis nach der iranischen Präsidentenwahl im Juni abwarten. Wobei der Wahltermin nicht entscheidend ist: Teheran kann es sich nicht erlauben, seinen Einfluss zu verlieren. Syrien ist die Landbrücke zur Hisbollah im Libanon, Irans Vorposten in der arabischen Welt, an der Grenze zu Israel. Der Zugriff auf iranisch trainierte Milizen böte der Teheran die Möglichkeit, auch ohne Assad seine Ziele zu verfolgen.

© SZ vom 10.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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