Britische Provinz:Kompromiss nach drei Jahren

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Neuwahlen abgewendet: Das nordirische Parlamentsgebäude in Belfast. (Foto: Paul Faith/AFP)

Protestanten und Katholiken in Nordirland legen Streit bei und bilden eine neue Regierung.

Von Alexander Mühlauer, London

Drei Jahre nach dem Zusammenbruch der Selbstverwaltung in Nordirland gibt es wieder eine gemeinsame Regierung aus Protestanten und Katholiken in Belfast. Bei einer außerordentlichen Sitzung des Regionalparlaments am Samstag wurde Arlene Foster von der protestantisch-loyalistischen DUP zur Regierungschefin der britischen Provinz ernannt. Als ihre de facto gleichberechtigte Stellvertreterin amtiert künftig Michelle O'Neill von der katholisch-republikanischen Partei Sinn Féin. "Wir haben viele Differenzen", sagte Foster. O'Neills Sicht auf die Vergangenheit könne nicht unterschiedlicher sein als die ihre, aber es sei nun an der Zeit, nach vorne zu schauen, erklärte Foster. O'Neill sprach von einem "entscheidenden Moment" für Nordirland.

Auch in London und Dublin wurde der Schritt begrüßt. Der irische Ministerpräsident Leo Varadkar sprach von einem "historischen Tag" für Nordirland. Er kündigte zudem baldige Neuwahlen in der Republik Irland an. Der britische Premier Boris Johnson nannte die Nachricht aus Belfast "bedeutsam"; die nordirischen Parteien hätten Führungsstärke gezeigt. DUP und Sinn Féin hatten am Freitag einem Kompromissvorschlag zugestimmt, den die Regierungen in London und Dublin ausgearbeitet hatten. Demnach erhält die britische Provinz erhebliche finanzielle Unterstützungen. Die genaue Summe wurde zunächst nicht veröffentlicht. Der Financial Times zufolge soll Nordirland 1,5 bis zwei Milliarden Pfund aus London bekommen. Die irische Regierung stellte der früheren Bürgerkriegsregion 110 Millionen Euro für Infrastrukturprojekte in Aussicht.

Hätten sich DUP und Sinn Féin bis zu diesem Montag nicht geeinigt, wäre es zu Neuwahlen in Nordirland gekommen. Beide Parteien hätten mit deutlichen Verlusten rechnen müssen, weil die Mehrheit der Bürger laut Umfragen kein Verständnis für das anhaltende Zerwürfnis zeigte. Bereits bei der britischen Parlamentswahl im Dezember hatten beide Parteien an Zustimmung eingebüßt. Hauptgrund war der jahrelange Stillstand in Belfast. Im Januar 2017 platzte die Regionalregierung wegen eines Streits um ein Förderprogramm über erneuerbare Energien. Streit gab es auch über die irisch-gälische Sprache, die Sinn Féin fördern will. Nun sollen Beauftragte für zweisprachige Straßenschilder sorgen und sicherstellen, dass etwa vor Gericht auch Gälisch gesprochen werden darf.

Mit der neuen Regionalregierung in Belfast kann Nordirland nun auch mit einer Stimme in den anstehenden Brexit-Verhandlungen auftreten. Die Provinz soll nach dem britischen EU-Austritt am 31. Januar einen Sonderstatus erhalten. Da es zwischen dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland und der Republik Irland keine Grenzkontrollen geben soll, muss die Provinz sich weiter an bestimmte EU-Regeln halten. Mit dem Brexit wuchsen zuletzt die Spannungen zwischen Protestanten und Katholiken, die erst 1998 im Zuge des Karfreitagsabkommens beruhigt werden konnten. Drei Jahrzehnte lang hatten sich zuvor militante Gruppen auf beiden Seiten sowie Polizei und Militär einen Bürgerkrieg mit Tausenden Toten geliefert.

© SZ vom 13.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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