Brexit-Übergangsphase:Eine Frage des Vertrauens

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"Ernste Divergenzen": EU-Chefunterhändler Michel Barnier (rechts) mit David Frost, dem Berater des britischen Premiers Boris Johnson. (Foto: Olivier Hoslet/AP)

Der EU-Chefunterhändler Barnier mahnt Großbritannien zur Vertragstreue.

Von Björn Finke, Brüssel

Die erste Runde ist vorbei, und sie machte die Schwierigkeiten noch einmal deutlich: "Wir haben Gemeinsamkeiten bei einigen Themen festgestellt, aber es gibt viele Divergenzen, ernste Divergenzen", sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier, als er am Donnerstag in Brüssel die Gespräche mit den britischen Vertretern bilanzierte. Seit Montag hatten sich jeweils mehr als 100 Verhandler beider Seiten in Brüssel ausgetauscht. Sie sollen Verträge ausarbeiten, welche die künftigen Beziehungen des Königreichs zur EU regeln. Von nun an werden alle zwei bis drei Wochen solche Runden stattfinden, die nächste Mitte März in London.

Ende des Jahres läuft die Brexit-Übergangsphase aus, in der sich für Bürger und Firmen nichts ändert. Der britische Premier Boris Johnson schließt eine Verlängerung aus. Daher würden Zölle eingeführt, sollten sich Barnier und sein Gegenüber aus London, David Frost, in den kommenden Monaten nicht auf einen Freihandelsvertrag einigen. Barnier sagte, große Meinungsunterschiede seien nach der ersten Verhandlungsrunde "ziemlich natürlich", und er glaube ehrlich, dass ein Abschluss in der kurzen Zeit möglich sei. Doch der Franzose warnte die Briten zugleich davor, sich nicht an die bisherigen Absprachen zu halten. Das im Januar ratifizierte Austrittsabkommen regelt die Bedingungen der Trennung: Es zwingt die Regierung in London, künftig Zollkontrollen bei Exporten von England oder Schottland nach Nordirland einzuführen. Das soll Kontrollen zwischen Nordirland und der Republik verhindern.

Johnson behauptet allerdings ausdauernd, es werde keine Kontrollen geben. Barnier sagte, Chefverhandler Frost habe ihm Vertragstreue zugesichert. Dies sei auch "die Bedingung für das Vertrauen, das wir nun brauchen, um unsere künftige Partnerschaft auf eine gute Basis zu stellen", sagte Barnier. Der Franzose nannte vier Themen, bei denen die Positionen weit auseinander lägen: erstens den Zugang zu den fischreichen Gewässern des Königreichs. Dann die Frage, ob es ein überwölbendes Rahmenabkommen oder nur einzelne Verträge geben soll. Letzteres fordert London. Drittens will die EU nur dann mit den Briten in der Strafverfolgung zusammenarbeiten, wenn London weiter die Europäische Menschenrechtskonvention akzeptiert. Diese Verpflichtung scheut die Regierung. Und schließlich streiten beide Seiten darüber, wie sichergestellt werden kann, dass britische Firmen keine unfairen Vorteile genießen - etwa dadurch, dass sich London in Zukunft nicht mehr an Regeln für Subventionen hält oder Sozial- und Umweltstandards mindert.

© SZ vom 06.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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