Bremer Finanzmisere:Sparen, klagen, verhandeln

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Das kleine Land Bremen hat fast 14.000.000.000 Euro Schulden angehäuft. Egal, wer nach der Wahl regieren wird: Ohne fremde Hilfe kann das Land nicht überleben.

Ralf Wiegand

Es ist eine leidenschaftliche Debatte, die da in Bremen läuft. In den Leserbriefspalten des ortsansässigen Weser Kuriers diskutieren die Bürger über die Selbstdarstellung ihrer Stadt.

Die einen finden, Schönheit, Geschichte und Menschlichkeit der Hansestadt würden in der Öffentlichkeit ausreichend berücksichtigt. Andere sind völlig anderer Meinung.

Das geht so weit, dass sich ein Herr über die Darstellung der Wetterkarte im Fernsehen beklagt, auf der die Stadt Bremerhaven farblich nicht zum Land Bremen, sondern zum Land Niedersachsen zu gehören scheint. Und zu allem Überfluss hätten "die Verantwortlichen" nun auch noch "zugelassen", dass eine Schuldenuhr in der Stadt installiert worden sei, "auf dass jeder Tourist sehe, wie bescheiden es uns geht".

Es ist allerdings fraglich, ob die Touristen mit der Zahl überhaupt etwas anfangen können - so surreal hoch ist sie. Die rote Digitalanzeige an der Fassade des Bremer FDP-Sitzes, eine Spende der Liberalen sozusagen, wird sehr bald die 14.000.000.000 Euro überspringen.

Diese Schulden des kleinsten aller sechzehn Bundesländer werden das Handeln der neuen Regierung bestimmen, die nach dem Ergebnis vom Sonntag abermals Jens Böhrnsen (SPD) als Bürgermeister anführen wird. Böhrnsen sagt: "Es geht um die Existenz Bremens."

"Rot-grünes Experiment"

Erstaunlicherweise war nicht die Ursache für den riesigen Schuldenberg des Landes das Wahlkampfthema der vergangenen Wochen, sondern die Debatte darüber, welche Koalition diesen Berg am wirksamsten abtragen könnte.

Für den bisherigen Innensenator und CDU-Spitzenkandidaten Thomas Röwekamp sind die anstehenden Verhandlungen zur Föderalismusreform II ein unbedingter Grund dafür, die Große Koalition in Bremen fortzusetzen.

Angesichts von elf unionsregierten Ländern und der Führungsrolle in Berlin müsse die CDU in Bremen an der Macht bleiben, um für ein gutes Verhandlungsklima zu sorgen. "Als Anwalt Bremens", findet Röwekamp. Im Umkehrschluss würde ein "rot-grünes Experiment" seiner Meinung nach bedeuten, dass Bremen in die Isolation geriete, allein die Schuldenlage aber nicht meistern könnte.

Bürgermeister Böhrnsen, stellvertretender Vorsitzender des Bund-Länder-Gremiums zur Föderalismusreform II, glaubt indes, dass die Debatte um die Neuverteilung der Finanzen zwischen den Ländern einerseits und Bund und Ländern andererseits größer ist als parteipolitischer Klüngel.

"Dabei geht es nicht um rot oder schwarz, sondern um Nord oder Süd, um arm oder reich, um Stadtstaat oder Flächenland." Niemand solle glauben, dass ein Land dem anderen Geld abgeben würde, nur weil dort Parteifreunde regieren.

500-Millionen-Euro-Grab

Die finanziellen Probleme Bremens sind in der Tat größtenteils strukturbedingt. Zwar haben die Oppositionsparteien, vor allem die Grünen, einiges an der Investitionspolitik des Senats auszusetzen, die nicht immer glückte.

Das 500-Millionen-Euro-Grab Space Park gehört dazu - ein als kombinierter Freizeit- und Einkaufspark konzipierter Riesenkomplex, der inzwischen leersteht und schon mal als Tatort-Kulisse dient. Grundsätzlich aber sehen auch die Grünen, dass das Land unverschuldet in eine Haushaltsnotlage geraten ist und unterstützen daher den von der Großen Koalition gewählten Weg aus der Krise.

Demnach wird die Zukunft von einem Dreiklang bestimmt, der heißt: Sparen, klagen, verhandeln. Bremen muss die Ausgaben so weit herunterfahren, dass sowohl die anderen Bundesländer das Bemühen erkennen, dass sich das Land selbst helfen will, als auch das Bundesverfassungsgericht zu dieser Auffassung gelangt.

Denn dort klagt Bremen - gemeinsam mit dem Saarland und wie zuvor schon Berlin - auf Nothilfe vom Bund. Der Berliner Vorstoß ist allerdings Anfang des Jahres gescheitert, da sahen die Richter noch genug ungenutztes Sparpotenzial im Land selbst. "Dadurch ist die Hürde für Bremen höher geworden", sagt Böhrnsen, der vor allem auf die dritte Karte setzt - die Verhandlungen zur Föderalismusreform II.

Nicht nur auf der Wetterkarte

Denn nur dort könnte an dem grundsätzlichen Missstand etwas geändert werden: dass nämlich die Hansestadt wirtschaftlich ertragsstark ist, viele Steuern durch die 80.000 im niedersächsischen Umland lebenden Pendler aber nicht in Bremen bleiben.

Daneben plädiert Bremen für Unterstützung, weil es etwa seine Häfen groß ausbauen muss - nicht für den Bedarf des Landes Bremen, sondern für den Exportweltmeister Bundesrepublik.

Es dürfte also noch leidenschaftliche Debatten geben um die Lage Bremens - nicht nur auf der Wetterkarte.

© SZ vom 14. Mai 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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