Bremen-Wahl:Rot-grüne Premiere oder schwarz-rotes Abonnement

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Ausgerechnet in ihrer Hochburg Bremen gab es noch nie eine Koalition aus SPD und Grünen - das könnte sich nach der Bürgerschaftswahl am Sonntag ändern.

Ralf Wiegand

Noch einmal locker sein, sich noch einmal volksnah geben: Thomas Röwekamp (CDU) und Jens Böhrnsen (SPD) hatten am Wochenende die Krawatten im Schrank gelassen. Röwekamp, der Herausforderer ums Amt des Bremer Bürgermeisters und Regierungschefs des kleinsten Bundeslandes, hatte sogar die Schuhe ausgezogen.

Das mussten jene Kinder ja auch, mit denen er für die Fotografen und Kameras auf der Hüpfburg beim CDU-Fest herumsprang. Jens Böhrnsen, der etwas gesetztere Titelverteidiger, bummelte derweil - den obersten Kragenknopf lässig geöffnet - über einen der vielen typischen Bremer Wochenmärkte, schwatzte hier, plauderte da und prüfte die Spargelpreise.

Es könnte die Ruhe vor dem Sturm gewesen sein, eine Woche vor der einzigen Landtagswahl in diesem Jahr - wenn überhaupt noch mit einem Sturm zu rechnen wäre. Die politische Wettervorhersage für das kleinste Bundesland prophezeit aber eher eine weiterhin ruhige Hochdrucklage, wie überhaupt der bisherige Wahlkampf frei von nennenswerten Störungen geblieben ist.

Resozialisierung oder Skandal

Einzig die Enttarnung der ehemaligen RAF-Terroristin Susanne Albrecht, die an einer Bremer Grundschule Kinder mit Migrationshintergrund in deutscher Sprache unterrichtet, könnte noch Schärfe im Wettstreit zwischen SPD und CDU um das beste Blatt im Koalitionspoker bringen.

Die SPD spricht von gelungener Resozialisierung, die CDU von einem Skandal. Sie köchelt das Thema in allen möglichen parlamentarischen Gremien bis kurz vor der Wahl am kommenden Sonntag.

Die Union bleibt trotz der kleinen RAF-Krise bei ihrer Aussage: "Wir wollen diese Koalition fortsetzen", sagt Röwekamp, 40. Die Große Koalition ist auch die einzige Chance für die CDU, in der Hansestadt am Ruder zu bleiben.

Die CDU liegt nach den Zahlen des jüngsten ZDF-Politbarometers bei 28 Prozent, die SPD bei 40, die FDP bei sechs, die Grünen bei 14 Prozent; die ARD hatte die beiden großen Parteien sogar bei 42 bzw. 26 Prozent taxiert.

Da es zwischen Schwarz und Grün an der Weser keine Berührungspunkte gibt und damit Jamaika-Spielereien ausfallen, gibt es nur die Option Rot-Grün oder Rot-Schwarz. Röwekamp sieht daher "eine Richtungswahl" auf die Bremer zukommen.

Gutes Pflaster für die Grünen

Es gehört zu den politischen Kuriositäten, dass es ausgerechnet in Bremen noch nie eine rot-grüne Regierung gab. Die Hansestadt ist eine Hochburg der Sozialdemokraten, die in allen Senaten seit dem Krieg vertreten war - mit der CDU schon zweimal, in den vierziger und den fünfziger Jahren, mit der FDP, sogar mit FDP und CDU und zwischen 1971 und 1991 zwanzig Jahre lang alleine.

Bremen ist ebenso ein extrem gutes Pflaster für die Grünen, denen hier seit 1983 regelmäßig der Einzug in die Bürgerschaft gelang. Doch zu mehr als einer experimentellen Ampel aus SPD, FDP und Grünen (1991 bis 1995) hat es nie gereicht.

Das lag auch an Ex-Bürgermeister Henning Scherf, der, einst als bekennender Rot-Grüner in seine Senatskarriere gestartet, zunächst die Ampelkoalition leitete und nach deren Scheitern Bremen in die ausdauerndste Große Koalition der Bundesrepublik steuerte.

Mit geradezu ultimativer Wucht verteidigte der populäre Bürgermeister das Bündnis der Elefanten selbst dann noch, als Rot-Grün wie nach der jüngsten Wahl rechnerisch möglich war. Scherf, damals schon jenseits der 60, wollte sich nicht mehr an neue Partner beim Regieren gewöhnen müssen und knüpfte seinen persönlichen Verbleib im Amt kurzerhand an den Fortbestand der Großen Koalition. Die Fraktion, abhängig vom Frontmann Scherf, folgte murrend; die Grünen fühlten sich brüskiert.

Nun sind die Zeiten anders. Jens Böhrnsen, 57, hatte sich vor zwei Jahren parteiintern gegen Bildungssenator Willi Lemke durchgesetzt. Er war zuvor Fraktionsvorsitzender und kennt die Begehrlichkeiten dort, sich aus der Umklammerung der Union zu lösen. Er selbst hat den im Senat herrschenden Schmusekurs im Parlament gerne mal rhetorisch konterkariert.

Zudem rumort es in der Berliner Koalition; Peter Struck, der SPD-Fraktionsschef betonte die Endlichkeit der Beziehung ("bis 2009!") ausgerechnet bei seinem Wahlkampfbesuch in Bremen. Vielleicht wird es in dieser Woche ja doch noch spannend.

© SZ vom 07.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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