Bottrop und Amberg:Zweierlei Entsetzen

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Asylbewerber prügeln auf Passanten ein. Horst Seehofer hat eine klare Antwort: schärfere Gesetze. Ein Mann überfährt Migranten - und der Innenminister bleibt im Ungefähren. Das darf so nicht sein.

Von Constanze von Bullion

Zwei Gewaltausbrüche haben Deutschland zur Jahreswende aufgeschreckt, im bayerischen Amberg und im nordrhein-westfälischen Bottrop. Beide Male stehen Migranten im Mittelpunkt, mal als mutmaßliche Täter, mal als Opfer. Der Bundesinnenminister hat nun härtere Gesetze ankündigt - aber nur gegen zugewanderte Straftäter wie in Amberg. Im Bottroper Fall hingegen, wo ein Deutscher sein Auto als Waffe gegen Migranten eingesetzt hat, sieht der Minister keinen Anlass, härter zuzupacken als bisher. Eine Überraschung ist das nicht. Aggressiver Fremdenhass spielt im Weltbild des Horst Seehofer eine nachgeordnete Rolle. Das muss sich ändern. Und die Bewertung von Recht und Unrecht darf in Deutschland nicht mehr davon abhängen, welcher Herkunft Tatverdächtige sind.

Zurück also noch einmal in die Oberpfalz und nach Amberg, wo vor Silvester vier junge Männer aus Afghanistan und Iran offenbar grundlos und im Rausch auf Passanten losgegangen sind. Wenn stimmt, was die Polizei bislang bekannt gegeben hat, zogen sie prügelnd und pöbelnd durch den Ort. Ergebnis: Zwölf Verletzte, ein Jugendlicher musste mit Kopfverletzung ins Krankenhaus.

Fälle wie in Amberg verbreiten Angst, weit über den betroffenen Ort hinaus. Das liegt nicht nur an der Furcht vorm fremden schwarzen Mann, die in ländlichen Regionen Deutschlands weiter verbreitet ist etwa als in Nachbarländern wie Frankreich oder Großbritannien. Es sind auch deutsche Medien, die den Fremdenhass befeuern, insbesondere Zeitungen des Springer-Verlags. Begierig greifen sie jeden Fall auf, in dem Straftäter keinen deutschen Pass haben, dafür aber schwarze Haare. Das steigert den Blutdruck beim Leser und die Klickzahlen im Netz. Hätten in Amberg blonde Oberpfälzer randaliert, kein Hahn hätte danach gekräht, und kein Geschäft wäre damit zu machen.

Zur Wahrheit in der überhitzten deutschen Migrationsdebatte gehört aber auch, dass viele junge Flüchtlinge, die aus muslimischen Ländern eingereist sind, mit Alkohol so wenig umgehen können wie mit der Idee von Freiheit, Rechtsstaat, gewaltfreier Erziehung oder Gleichberechtigung der Frau. Wer sich hier nicht lernfähig zeigt, wiederholt straffällig wird oder übergriffig, schadet nicht nur der großen Mehrheit gesetzestreuer Geflüchteter. Er verdient auch den besonderen Schutz der Solidargemeinschaft nicht mehr. Gewalttätige und mehrfach verurteilte Intensivtäter - aber eben nur solche - kann das den Aufenthalt in Deutschland kosten. Darüber muss keiner trauern.

Ob es aber in Amberg um solche Straftäter geht oder nur um eine ausgedehnte Wirtshausschlägerei, muss sich noch zeigen. Und wenn der Bundesinnenminister jetzt härtere Abschiebungsgesetze ankündigt, ist zurückzufragen: Wie hart eigentlich noch? Bei vorsätzlichen Gewalttaten oder Übergriffen gegen die sexuelle Selbstbestimmung reicht schon heute eine Verurteilung zu einem Jahr Haft zur Ausweisung. Auch bei serienmäßigen Eigentumsdelikten, Hetze oder einem "nicht nur vereinzelten und geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften" erlaubt das Aufenthaltsgesetz Abschiebungen. Es fehlt da nicht an Gesetzen, es fehlt oft am Vollzug. Vor allem aber fehlt ein Innenminister, der auf rechtsgerichtete Regelverächter mit der gleichen Wucht losgeht wie auf die zugewanderten.

Horst Seehofer betont, beide Taten gleich ernst zu nehmen. Aber das macht er nicht

Denn Seehofers Reaktion auf die Taten in Bottrop fällt deutlich hinter sein Entsetzen über Amberg zurück. In Bottrop hat ein Deutscher sein Auto offenbar in Tötungsabsicht in Gruppen von Migranten gesteuert, mehrmals und nach Zeugenaussagen sogar noch im Rückwärtsgang. Der Tatverdächtige soll psychisch krank gewesen sein. Aber was unterscheidet derlei politischen Wahn von dem eines Anis Amri oder anderer Attentäter, deren mörderische Methoden in Bottrop kopiert wurden? Es darf, ja es muss auch gefragt werden, was geschehen wäre, wenn der Tatverdächtige in Bottrop Muslim wäre. Die Hölle wäre losgebrochen, besonders im Bundesinnenministerium.

Gewiss, in Berlin wird jetzt betont, Amberg und Bottrop seien gleich ernst zu nehmen. Aber es stimmt eben nicht. Horst Seehofer widmet Zuwanderungsproblemen seit Amtsantritt maximale Aufmerksamkeit. Auf Anfragen zu Fremdenhass dagegen, auch in ihm unterstellten Behörden, reagiert er regelmäßig zunächst abwehrend. So war es, als ein Mitarbeiter der Dresdener Polizei bei einer Pegida-Demo auf Presseleute losging. So war es, als Neonazis in Chemnitz randalierten. Oder als sächsische SEK-Beamte sich beim Einsatz mit dem Namen des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt anmeldeten. Oder als gegen Frankfurter Polizisten wegen rechtsextremer Umtriebe ermittelt wurde.

Kein Wunder eigentlich, dass mancher Fremdenfeind inzwischen meint, die Sache mit den Flüchtlingen auf eigene Faust regeln zu können oder mit dem Wagen. Die Zurückhaltung des Bundesinnenministers wird da als Legitimation verstanden. Sie muss ein Ende haben, sofort.

© SZ vom 03.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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