Bonn:Polizisten schlagen Antisemitismus-Opfer ins Gesicht

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Im Bonner Hofgarten kam es zu der Attacke. (Foto: dpa)
  • Ein Deutscher mit palästinensischen Wurzeln verübt unweit der Bonner Universität einen antisemitischen Angriff auf einen israelischen Hochschulprofessor.
  • Beim anschließenden Polizeieinsatz verwechseln die Beamten am Tatort das Opfer mit dem Täter und schlagen dem 50-jährigen Professor ins Gesicht.

Erneut ist es in Deutschland zu einem antisemitischen Übergriff gekommen, gefolgt von einer Verwechslung der Polizei. In Bonn wurde ein israelischer Hochschulprofessor von einem jungen Deutschen mit palästinensischen Wurzeln attackiert. Der 20 Jahre alte mutmaßliche Angreifer wurde nach der Attacke am Mittwoch festgenommen und in eine psychiatrische Klinik gebracht.

Nach Darstellung der Polizei verlief der Angriff wie folgt: Der Wissenschaftler von der Universität der Stadt Baltimore an der US-Ostküste, angereist zu einem Gastvortrag, ist am Mittwochmittag mit einer Bekannten im Hofgarten mitten in Bonn unterwegs. Er trägt eine Kippa, die jüdische Kopfbedeckung. Plötzlich spricht ihn ein junger Mann an, beleidigt ihn auf Englisch wie auf Deutsch, ruft unter anderem "Kein Jude in Deutschland!". Mehrfach schlägt er ihm die Kippa vom Kopf, schubst ihn und schlägt ihm gegen die Schulter. Der Angegriffene setzt sich zur Wehr, seine Begleiterin alarmiert die Polizei.

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Ein junger Syrer erhält vier Wochen Arrest, weil er Mitte April in der Hauptstadt einen arabischstämmigen Israeli auf offener Straße mit einem Gürtel geschlagen hatte.

Polizei: "Er ist auf jeden Fall verletzt, da können wir nichts rechtfertigen"

Als die Sirene des Streifenwagens ertönt, rennt der junge Mann weg, der Professor verfolgt ihn. In diesem Moment treffen die Polizisten ein - und halten den 50 Jahre alten Israeli für den Angreifer, da er der Polizei zufolge auf den Zuruf "Stehen bleiben" nicht reagiert habe. Daraufhin überwältigen ihn die Polizisten, bringen ihn zu Boden und fixieren ihn. Da er sich dagegen wehrt - so erneut die Schilderung der Polizei - schlagen sie ihm auch ins Gesicht. Nach Angaben eines Polizeisprechers trägt er blaue Flecken davon: "Er ist auf jeden Fall verletzt, da können wir nichts rechtfertigen."

Seine Begleiterin kann das Missverständnis aufklären. Erst jetzt erfolgt die Festnahme des mutmaßlichen Angreifers. Der 20 Jahre alte Deutsche ist der Polizei bereits durch Gewaltkriminalität und Drogendelikte bekannt.

Mittlerweile sei der Wissenschaftler abgereist, sagte ein Sprecher der Bonner Polizei. Zuvor habe sich die Bonner Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa noch mit ihm getroffen und sich bei ihm entschuldigt. Das Vorgehen der Polizisten werde nun vom Polizeipräsidium Köln untersucht.

Der Rektor der Bonner Uni, Michael Hoch, hob in seiner Reaktion hervor, dass der Professor nach dem Vorfall noch wie geplant seinen Gastvortrag gehalten habe."Wir sind sehr traurig, dass unser akademischer Freund dieses Erlebnis aus Deutschland zurück in die Heimat mitnehmen musste", bedauerte Hoch.

"Verhängnisvolles Missverständnis"

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) bat das Opfer am Donnerstag telefonisch um Entschuldigung. Es sei offenbar zu einem "verhängnisvollen Missverständnis" der Polizei gekommen, sagte der CDU-Politiker der WAZ. Die antisemitische Straftat selbst sei "abscheulich", sagte Reul. "Wir werden nicht zulassen, dass in Deutschland wieder Hatz auf Juden gemacht wird."

Der 20-Jährige kam allerdings erst mal wieder auf freien Fuß. Er sei am Donnerstag aus der psychiatrischen Klinik entlassen worden, in die er nach der Attacke eingewiesen worden war, sagte ein Polizeisprecher. Die Ärzte hätten nichts finden können, was einen weiteren Klinikaufenthalt gerechtfertigt hätte. Die Vorwürfe gegen den Mann mit festem Wohnsitz seien auch nicht so schwerwiegend, dass er in Untersuchungshaft genommen werden könne. Es wird wegen Körperverletzung und Volksverhetzung gegen ihn ermittelt.

Für Aufsehen hatte erst im April ein Gürtel-Angriff auf einen Kippa tragenden Israeli in Berlin gesorgt. Ein damals 19-Jähriger war deshalb wegen Beleidigung und Körperverletzung schuldig gesprochen worden.

© SZ.de/dpa/lalse - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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