BND-Affäre:Eine Wahrheit und drei Möglichkeiten

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Warum der Bundesnachrichtendienst den Inhalt der von der "New York Times" zitierten Studie bezweifelt.

Hans Leyendecker

Wer am Dienstag auf der Webseite der New York Times das Stichwort "BND" eingab, erhielt ein paar knappe Hinweise auf erschienene Geschichten und bekam eine Frage gestellt: "Did you intend to search for Bond?" Verkürzt: Suchten Sie nach Bond?

Mit der Welt des James Bond hat die Welt des Bundesnachrichtendienstes (BND) nichts zu tun. Trotz aller Geheimnistuerei geht es im Alltag sehr gewöhnlich zu.

Am Montag und Dienstag durchforsteten Geheime das Internet, um Hinweise auf jene militärische Skizze zu finden, die ein BND-Mitarbeiter angeblich im Februar 2003 in Doha an Kollegen des Pentagon-Geheimdienstes DIA weitergereicht haben soll.

Branchenübliche Mimikry

Die Internet-Recherche von Amts wegen ist, falls es sich nicht um die branchenübliche Mimikry handelt, Ausdruck der derzeit in Pullach und Berlin grassierenden Ratlosigkeit.

Dass die New York Times korrekt aus einer als "geheim" klassifizierten und im Jahr 2005 verfassten Studie des Joint Forces Command zitiert hat, wird auch von Oberen des BND nicht bezweifelt. "Aber das, was zitiert wird, kann nicht stimmen", sagt ein hochrangiger Sicherheitsbeamter.

"Von uns haben die Amerikaner die Skizze nicht bekommen". Das sei gewiss, "weil wir die Skizze nicht kannten und nicht hatten. Wie sollen wir etwas weitergereicht haben, das wir nicht hatten?" fragt ein anderer Nachrichtendienstler. "Wenn etwas bei uns funktioniert, ist es die Registratur, und in der gibt es keinen Hinweis auf eine solche Skizze."

In den vergangenen Tagen sind von der Amtsleitung die Beschaffer, die Auswerter ebenso wie jene beiden Beamten befragt worden, die in Bagdad im Krieg Informationen sammelten. Alle erklärten übereinstimmend, von der Existenz einer solchen Skizze nichts gewusst zu haben.

Deckname "Gardist"

Befragt wurde auch der Nachrichtendienstler, der 2003 unter dem Decknamen "Gardist" als Verbindungsbeamter des BND bei Doha in Katar mit den Amerikanern, die vom Vier-Sterne-General Tommy Franks befehligt wurden, kooperierte.

"Gardist", ein ehemaliger Bundeswehrsoldat, wusste angeblich auch von nichts. Dabei müsste er es eigentlich wissen. Nach Darstellung der New York Times hat ausweislich dieser Studie der "deutsche Verbindungsoffizier in Katar" dem US-Geheimdienst das Papier am 3.Februar 2003 überreicht.

Zu diesem Zeitpunkt sei "Gardist" "noch gar nicht in Katar gewesen", sagt ein hochrangiger BND-Beamter. Der Verbindungsoffizier sei erst Mitte Februar gekommen und habe sich zunächst einarbeiten müssen. Ende Februar 2003 habe er die ersten Anfragen der US-Militärs übermittelt. Vorher habe es keinen BND-Vertreter in Doha gegeben.

Für Geheimdienstexperten ist der Fall offenbar ebenso unübersichtlich wie für Außenstehende. Es bieten sich drei Erklärungen an: Entweder hat die New York Times korrekt eine fehlerhafte Studie wiedergegeben. Vielleicht auch schwindelt der BND und belügt die Öffentlichkeit.

Spannendes Gerede

Oder es gab auf Arbeitsebene Kooperationen, von denen die Amtsleitung keine Ahnung hat. Die von politischen Vertretern in Berlin verbreitete Theorie, interessierte Kreise in den USA wollten nun die ehemalige rot-grüne Regierung in Misskredit bringen oder alte Rechnungen mit dem BND begleichen, klingt zwar spannend, ist aber vermutlich auch nur Gerede.

Der Hinweis auf die heimliche deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Irak-Krieg, der im Januar die Diskussion ausgelöst hat, stammte aus dem Spätsommer 2005 und der Tippgeber hatte die deutsche Hilfe als "erfreulich" bezeichnet.

Der Autor des New York Times-Artikels bekam nach eigenen Angaben bereits im Herbst 2005 Einblick in die Studie, und die Veröffentlichung steht eher im Zusammenhang mit der Werbung für sein Buch über den Irak-Krieg.

Am einfachsten wäre es, wenn der BND bei der DIA nachfragte, wie damals auf der Arbeitsebene die Zusammenarbeit gelaufen ist. Das könnte bei allen Fragen nach dem Weg der Skizze hilfreich sein.

Aber "weil die Pentagon-Studie geheim ist, bekommen wir sie vermutlich nicht," sagt ein hochrangiger BND-Mann. Kein drehbuchreifer Satz für einen Bond-Film.

© SZ vom 1.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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