Blockade in den Vereinten Nationen:Der heraufziehende Sturm

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Politische Eitelkeiten blockieren bei den UN eine ernsthafte Debatte über die drohende Katastrophe durch den Klimawandel - das Misstrauen zwischen dem Sicherheitsrat und Vertretern der Dritten Welt geht tief.

Nicolas Richter

Gefahren können noch so groß sein - die Vereinten Nationen zeigen immer erst einmal die vorhersehbaren Reflexe. Als der britische UN-Botschafter Emyr Jones Parry Anfang April eine ungewöhnliche Initiative ankündigte, reagierte die Dritte Welt so entrüstet, als habe die ehemalige Kolonialmacht angedroht, sie zu entmündigen. Parry, der im April dem Sicherheitsrat vorsitzt, hatte erklärt, über die Folgen des Klimawandels für den Weltfrieden debattieren zu lassen.

Wenige Tage später kam die Antwort der G77, der Koalition aus mehr als hundert Entwicklungsländern: Der Sicherheitsrat habe wieder einmal seine Grenzen überschritten.

Misstrauen zwischen Gremien

Auf den ersten Blick ist die Reaktion paradox, denn der Klimawandel wird zweifellos jene am härtesten treffen, die ohnehin schon arm und schwach sind. Kürzlich richtete der Präsident Ugandas, Yoweri Musevini, folgende Worte an die reichen Staaten: "Die Erderwärmung, die ihr verursacht, ist ein Akt der Aggression gegen uns. Alaska und Sibirien werden für die Landwirtschaft geeignet sein, aber was passiert mit Afrika?"

Der britische Vorstoß im Sicherheitsrat sollte nun gerade diese Gefahren thematisieren: Dürre, Überschwemmung, Kriege um Nahrung und Rohstoffe. Der deutsche UN-Botschafter Thomas Matussek erklärte daher am Dienstag im Sicherheitsrat, bis 2020 werde die Erderwärmung allein in Afrika dazu führen, dass 250 Millionen Menschen unter zunehmendem Wassermangel zu leiden hätten.

Die Sorgen der Europäer sind zwar durchaus nicht selbstlos, weil sie erhebliche Flüchtlingsströme aus dem Süden fürchten, wenn es dort zu neuen Katastrophen kommt. Gleichwohl: Der Sicherheitsrat ist das mächtigste Gremium der Weltpolitik, und dass er sich mit dem Klimawandel befasst, könnte dem Thema durchaus Gewicht verleihen. Die Briten strebten am Dienstag weder eine Erklärung noch eine Resolution des Rats an - es ging ihnen nur um Symbolik.

Um die aber geht es der Dritten Welt genauso. Sie misstraut dem Sicherheitsrat, dem exklusiven Zirkel, in dem die reichen und hochgerüsteten Veto-Mächte das Sagen haben. Was immer der Rat beschließt - es löst in der Dritten Welt meist vorhersehbare anti-imperialistische oder anti-koloniale Reflexe aus.

Der pakistanische UN-Botschafter und G-77-Vorsitzende Munir Akram sagte in New York, der Sicherheitsrat soll sich "um aktuelle Gefahren für den Frieden" kümmern. Stattdessen habe er sich wieder einmal in die Angelegenheiten anderer UN-Gremien eingemischt, wie schon früher bei übergreifenden Themen wie Aids oder Terror.

Katastrophe rückt näher

Die Dritte Welt hat aufgrund ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit in der Generalversammlung das Sagen. Dort seien bei der UN die Gesetzgebungsbefugnisse angesiedelt, betont Akram - "und nicht beim Sicherheitsrat". Andere Diplomaten aus der Dritten Welt erklärten in New York, es gebe derzeit keinen einzigen Konflikt, der vom Klimawandel verursacht worden sei.

Oberflächlich gesehen mag dieses Kompetenzgerangel nur studierte Politologen interessieren. Doch die Konflikte offenbaren, welch vergiftetes Klima bei den UN und damit zwischen den Staaten der Welt herrscht. Arm gegen Reich, Nord gegen Süd, der Westen gegen den Islam - diese Trennlinien zeigen sich bei den UN inzwischen bei fast jedem Thema, und sie geben eine Ahnung davon, wie die Klimadebatte in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten verlaufen wird. Die USA sträuben sich gegen jede internationale Vereinbarung, gleichzeitig muss die Welt ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll aushandeln.

Unterdessen rückt die Katastrophe näher. Deshalb wählte die britische Außenministerin Beckett den Vergleich zu den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg. Der britische Premier Winston Churchill hatte sie den "heraufziehenden Sturm" genannt und damit jene Zeit gemeint, in der er bereits gegen die Gefahr durch Hitler ankämpfte, welche die meisten noch als fern und ungewiss betrachteten.

© SZ vom 18.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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