Blitzer:Porsches Schrecken

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Die Autostadt Stuttgart hat ein Raserproblem - und rüstet auf: Immer mehr Blitzgeräte sollen schwäbische Fahrer dazu bringen, Tempolimits einzuhalten. Der Erfolg hält sich in Grenzen.

Von Max Hägler

Sie lauern am Rand der Stuttgarter Stadtautobahn, in allen Formen und in allen Größen: mal kühlschrankgroße Ungetüme, mal filigrane, aber rostige Kästen auf Säulen, dazu diverse andere Gerätschaften, die eher an Metallschrott erinnern; und schließlich noch zwei "Poliscans", neumodische Überwachungssäulen mit Rundumoptik. So viele Blitzer wie hier gibt es an kaum einem anderen Straßenabschnitt der Republik. "Das ist eine Art Blitzermuseum", sagt Joachim Elser, der Leiter der städtischen Verkehrsüberwachung, "aber wir lassen das zur Abschreckung stehen" Und die tut offenbar not, hat die Stadt doch zwei Probleme: schlechte Luft, die auch aus den Auspuffen allzu schneller Autos raucht, und immer mehr rabiate Fahrer.

Eben hat der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn zwei weitere Tempomessgeräte präsentiert - und damit Stuttgarts Ruf als Blitzerhauptstadt gefestigt. Ausgerechnet auf der vierspurigen Präsentiermeile Theo, der Theodor-Heuss-Straße, gilt nun nachts Tempo 30. Dazu wachen hier moderne Fächerblitzanlagen, die per Laser alles kontrollieren und auf digitale Speicherkarten notieren, was rundherum zu schnell kreucht und fleucht.

Die Radarwarnerfirma SCDB.info verzeichnet 4391 Blitzer in Deutschland in ihrer Datenbank, ob funktionstüchtig oder bereits eingerostet; mehr als jeder vierte davon steht in Baden-Württemberg. Allein in der Landeshauptstadt blitzen 42 Geräte, die 2015 knapp sechs Millionen Euro einbrachten, nur Köln und Bremen haben jeweils einen Kasten mehr aufgestellt. Weil sich in Stuttgarts Kessellage aller Verkehr auf sehr wenige Hauptstraßen konzentriert, könnte es zutreffen, "dass wir Blitzerhauptstadt sind", sagt Elser. Zum Vergleich: In ganz Bayern gibt es 89 stationäre Blitzer. Allerdings setzt die Polizei dort viel stärker auf mobile Tempokontrollen, um eine Gewöhnung der Autofahrer an "Hotspots" zu vermeiden, und Kommunen müssen sich Starenkästen vom Innenministerium genehmigen lassen - anders als im Südwesten.

Warum aber ausgerechnet die Stadt von Daimler und Porsche immer mehr Blitzer aufstellt? Genau deswegen, sagt der Chefüberwacher: "Wir haben so viele Autos und eine zunehmend schlechte Verkehrsmoral, dass wir die Menschen schützen müssen." Der Egoismus habe deutlich zugenommen. Immer öfter werde bewusst bei Rot einfach weitergefahren. Oder es würden Radler angefahren und liegen gelassen. An der Theo, die zum Posieren lockt, landeten zuletzt einige Leute mit ihren starken Wagen, oft schwäbischer Provenienz, auf dem Gehweg oder am Baum. Die Zahl massiver Verkehrsverstöße stieg in der Stadt deutlich an. 2015 wurden 595 Fahrverbote verhängt, 100 mehr als im Vorjahr. Im Rest der Republik nehmen diese Sanktionen eigentlich ab.

Mit Abzocke habe die Überwachungsdichte in Stuttgart aber nichts zu tun, behauptet Elser, deswegen seien ja auch nicht immer alle Geräte scharf geschaltet. Ihm fallen zwar durchaus Blitzanlagen ein, bei denen er keinen Unfallschwerpunkt erkennen kann - aber nur andernorts. Zur Schleichfahrt zwingen die Blitzgeräte nicht, auch Maschinen zeigen Toleranz: Wer bis zu neun Stundenkilometer schneller fährt als erlaubt, kommt um den Strafzettel herum.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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