Blair presst Presse:"Von Einfluss besessenes Ungeheuer"

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Premier Blair basht britische Presse: Sie lege mehr Wert auf Wirkung als auf Wahrheit. Dabei hat er einst die Medien für sich eingespannt.

Barbara Vorsamer

Ginge es nach Premierminister Tony Blair, sollen britische Zeitungen in Zukunft externer Kontrolle unterliegen. Das sagte der Politiker gestern in einer heftigen Attacke, in der er den Medien vorwarf, sich wie "wilde Tiere zu benehmen und Ausgewogenheit zu scheuen."

Er sagte weiter, dass Zeitungen, da sie sich in einem immer härteren Kampf um Auflagenzahlen befänden, "Impact-Journalismus" betrieben, sie also mehr Wert auf Wirkung und Einfluss einer Nachricht legen würden als auf Wahrheit, Richtigkeit und Ausgewogenheit. Journalisten befänden sich ständig auf der Jagd nach Geschichten, die die Verkäufe in die Höhe trieben.

Die heftige Konkurrenzsituation mache die Medien zu einem "wilden Tier, dass Menschen und deren Ruf zerschreddere, und kein Medium wage es mehr, sich zurückzuhalten." Auch die Trennung zwischen Meinung und Nachricht verschwimme mehr und mehr und es gäbe kaum noch Zeitungen, die genau das berichten, was ein Politiker auch wirklich gesagt hätte.

Blair kritisierte, dass die Presse für Menschen des öffentlichen Leben eine immense Bedeutung eingenommen hätten: "Ein großer Teil unseres Jobs ist heutzutage, mit den Medien, ihrer immensen Bedeutung und ihrer andauernden Aufgeregtheit zurechtzukommen."

Daher forderte der Premierminister, dass die Presse in Zukunft von außen kontrolliert werden solle. Schließlich würden auch alle anderen Kräfte der Gesellschaft externer Beobachtung unterliegen, nicht zuletzt durch die Medien.

"Richtige Rede, falscher Redner"

Bei derartigen Tönen hört sich Blair an wie jemand, der von einer langjährigen Freundschaft enttäuscht ist und sich nun rächen will.

So erkennt beispielsweise die britische Qualitätszeitung Guardian zwar an, dass Blair mit seiner Kritik durchaus richtig liegt - doch bemerkt auch, dass Blair und New Labour sich zu Beginn ihrer Amtszeit ungeniert der Medien bedienten und von ihnen bedient wurden. "Richtige Rede, falscher Redner", so kommentiert das Blatt Blairs Medienschelte.

Denn es war Blair, der die Labour-Partei von der Abhängigkeit von wenigen, traditionell linken Zeitungen befreite und sich die Unterstützung und die Schlagzeilen der Murdoch-Medien sicherte. Und es war Blair, der "das Parlament durch eine Kombination von Küchenkabinetten, selektivem Zuspielen von Informationen und gekonnter Manipulation der Medien marginalisierte", so der Guardian.

So sei es jetzt ziemlich anmaßend von Blair, die Medien für ihre zurückgegangene Parlamentsberichterstattung zu kritisieren. Das britische Blatt kommentiert wörtlich: "He helped to feed the animal he now wants to chain." (zu Deutsch: "Er half das Tier zu füttern, das er jetzt in Ketten legen will.")

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