Bildung:Schul-Versuch

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Hessen plant einen Modell­versuch, der in ganz Deutschland Beachtung finden dürfte. Über einen Zeitraum von fünf Jahren dürfen maximal 15o Schulen im Land auf Noten verzichten - beurteilt wird nach einem anderen System.

Von Paul Munzinger

Sind Schulnoten fair? Oder gaukeln die Ziffern nur vor, objektiv zu sein? Diese Frage wird an Schulen seit Jahren intensiv diskutiert. Viele Lehrer plagt das Gefühl, den Leistungen ihrer Schüler mit einem Zahlenschema von 1 bis 6 nicht gerecht werden zu können. Das Bundesland Hessen plant nun einen Modellversuch, der in ganz Deutschland Beachtung finden dürfte: Er soll das Unbehagen um die Noten aufgreifen und Alternativen ausloten. Über einen Zeitraum von fünf Jahren dürfen maximal 15o Schulen im Land versuchsweise auf Noten verzichten. Bewerben können sich alle Schulformen - also nicht nur Grundschulen, in denen es ohnehin erst von der dritten Klasse an Noten gibt, sondern auch weiterführende Schulen wie Gymnasien.

Das Projekt findet sich im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung, als Teil eines Pakets, das Schulen "pädagogisch neue Wege" eröffnen soll. Die Grünen - aus den Landtagswahlen im Oktober erstarkt hervorgegangen - lösen damit ein Wahlkampfversprechen ein, gegen Vorbehalte der CDU. Mathias Wagner, bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, es gehe darum, den Schulen "endlich einen Aufbruch" zu ermöglichen. An die Stelle der Zensuren sollen ausführliche schriftliche Bewertungen treten. Die Grünen betonen, dass die Abkehr von Noten keine Abkehr vom Leistungsprinzip bedeute, wie von der hessischen FDP geargwöhnt. Leistung werde weiterhin bewertet, nur eben differenzierter, als dies eine nackte Zahl könne. Mehr Differenziertheit bedeutet für Lehrer auch mehr Arbeit.

Ministerpräsident Volker Bouffier, dessen CDU bei der Wahl hohe Verluste hinnehmen musste, hatte sich noch 2013 deutlich für Noten ausgesprochen und vor "Gleichmacherei" an den Schulen gewarnt. Ein Sprecher des vom CDU-Politiker Alexander Lorz geführten Kultusministeriums betont dann auch vor allem die Grenzen des Projekts. Es gehe um eine limitierte Anzahl von Schulen, nämlich maximal 30 pro Jahr über fünf Jahre. Will eine Schule teilnehmen, muss die Schulkonferenz zustimmen, also Lehrer und Eltern. Und vollständig auf Noten verzichten können auch die Schulen nicht, die den Versuch mitmachen: Steht der Übergang auf eine andere Schule an oder ein Abschluss, finden sich im Zeugnis die gewohnten Zensuren. In den Klassen 4 und 10 sowie in der gesamten gymnasialen Oberstufe zählen also auch weiterhin die Zahlen.

© SZ vom 02.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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