Biden auf der Sicherheitskonferenz:Ende der bleiernen Zeit

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US-Vizepräsident Joe Biden bescherte der Welt auf der Sicherheitskonferenz eine Art Pfingsterlebnis. Auf die einhellige Freude müssen nun jedoch auch Taten folgen.

Stefan Kornelius

Außenpolitik wird nicht selten in Kryptosprache betrieben. Da wird verschlüsselt, kodiert, dechiffriert und verglichen. Klare Worte sind gefährlich, weil sie schnell verletzen können.

Brachte München ein Pfingsterlebnis: US-Vizepräsident Joe Biden. (Foto: Foto: AP)

Also bleibt Diplo-speak, die Formelwelt der Außen- und Sicherheitspolitik, die weltweit von den Fachleuten gesprochen wird.

Für diese Experten brachte München ein Pfingsterlebnis. Über der Sicherheitskonferenz brach der Himmel auf und alle sprachen mit einer Zunge. Ein Love-fest, wie die Amerikaner sagen würden - allen wohl und kaum einem weh.

Die westliche Sicherheitsgemeinschaft taktet plötzlich wieder synchron. Die bleiernen Bush-Jahre mit all ihren Brutalitäten und Verletzungen sind schlagartig verflogen.

Wer die Augen schließt und US-Vizepräsident Joe Biden zuhört, der wird mit einem Zeitreise-Erlebnis belohnt - in den Ohren klingt München 1999, Senator Joe spricht, und alle geben ihm recht.

Gerade bei den offenbar zuwendungsbedürftigen Deutschen bricht nun eitle Freude aus - die sich schnell wieder verflüchtigen dürfte. Bei aller Harmonie, bei aller Übereinstimmung in der Analyse vieler bedrückender Probleme in der Welt - am Ende wird es zu sehr schweren Entscheidungen kommen müssen.

Der Drogenanbau in Afghanistan lässt sich nicht wegreden - entweder man lässt die Mohnbauern und Opium-Kuriere gewähren, oder man braucht eine Alternative, die dann aber auch bitte sehr durchgesetzt werden muss. Entweder Deutschland fühlt sich von einer iranischen Nuklearrakete bedroht und sorgt vor - indem es ein Raketenabwehrsystem unterstützt und Russland von der Notwendigkeit der Anlage überzeugt. Oder es scheut diese Konfrontation, so wie es möglicherweise härtere Sanktionen scheut.

Entweder, oder - es gibt Dutzende dieser zum Teil schwierigen Alternativen. Die Bush-Jahre waren einfache Jahre, weil die Radikalität so ausgeprägt war, die Alternative derart abschreckend, dass die Verweigerung leicht fiel. Nun beginnt eine neue Zeit, weil die amerikanische Regierung tatsächlich zurücktritt von ihrem Alleinvertretungsanspruch.

Der Stilwechsel ist bemerkenswert, Politik ändert sich damit aber noch lange nicht. "To put your heart where your mouth is", heißt das im Englischen so wunderbar ehrlich - das Herz muss an die Stelle des Mundwerks treten. Der Kryptosprache müssen Taten folgen.

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