Beziehungen zwischen Russland und EU:Schröders russische Rede

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Eigentlich sollte es auf der Konferenz in Jalta um die Ukraine und ihr Streben nach Europa gehen. Doch Ex-Kanzler Schröder hielt stattdessen eine Rede, auf die auch Russlands Botschafter stolz gewesen wäre - und warb für enge Beziehungen zu Moskau.

Frank Nienhuysen

Schmuckere Orte hat die Ukraine kaum zu bieten, um über ihre Zukunft in Europa zu sprechen, das konnte auch Gerhard Schröder nicht übersehen. Der Weiße Saal im Liwadija-Palast von Jalta strahlt an diesem Tag wie die Sonne, die durch die eleganten Fensterbögen in das Innere flutet.

Ex-Staatenlenker unter sich: Gerhard Schröder und der frühere US-Präsident Bill Clinton (Foto: Foto: AFP)

Die Decke der alten Zarenresidenz ist reich mit Stuck verziert, die Wände sind im Stil der italienischen Renaissance gehalten. Im angrenzenden Raum, in Schröders Blickrichtung, steht noch immer der große runde Holztisch, an dem Stalin, Churchill und Roosevelt im Februar 1945 auf der Krim die Nachkriegsordnung festlegten.

Aber dem ehemaligen Bundeskanzler ist nach nostalgischen Bemerkungen gar nicht zumute - außer dass er in der ersten Reihe "einen guten alten Freund" begrüßt, wie er sagt. Viktor Tschernomyrdin, einst Gazprom-Chef und russischer Ministerpräsident, inzwischen Moskaus Botschafter in der Ukraine.

Auf dieser Jalta-Konferenz aber übernimmt Gerhard Schröder seine Aufgabe. Etwa drei Minuten braucht er, um das ukrainische Streben nach Europa abzuhandeln. Er tut dies professionell, sagt, dass Deutschland seit vielen Jahren schon intensive Beziehungen zur Ukraine habe, dass es den Reformprozess von Anfang an unterstützt habe.

Aber das reicht ihm dann eigentlich auch. Denn nun biegt Gerhard Schröder das Konferenzthema um und wirbt so eifrig für Russland, wie es der entspannt in Reihe eins sitzende Viktor Tschernomyrdin nicht besser hätte machen können.

Natürlich müsse die europäische Nachbarschaftspolitik ausgeweitet werden, sagt Schröder "aber es ist eben auch wichtig, die Partnerschaft mit Russland zu stärken". Russland sei seit vier Jahrzehnten ein zuverlässiger Energiepartner; "er verstehe ja, dass es eine Debatte gebe über die Abhängigkeit von Russland. Aber dies ist total falsch. Die Frage ist: Wer kann die Gas- und Ölversorgung denn sicherstellen? Was ist die Alternative? Zentralasien braucht Zeit. Also Nigeria? Iran? Irak? Algerien? Natürlich ist es Russland."

Europa "ohne Alternative"

Und Moskau habe Alternativen, es könne sich mehr an China orientieren. "Europa aber hat keine Alternative." Den Namen Russlands nennt Schröder in beinahe jedem Satz, derweil der ukrainische Außenminister Arsenij Jatzenjuk mit ausdrucksloser Miene auf dem Podium sitzt und hofft, dass endlich auch der Name seines Landes noch einmal fällt. Polens früherer Präsident Aleksander Kwasniewski schaut scheinbar gelangweilt und fächert sich mit der Hand etwas kühle Luft zu.

Schröder, der dem Aufsichtsrat der Betreibergesellschaft für den Bau der Ostseepipeline angehört, schlägt sich auch in der Frage weiterer Röhren auf die Seite Russlands. "Europa braucht die Bluestream-Pipeline. Und Europa braucht die South-Stream", sagt er.

Irritation bei Polen und Ukrainern

Beide Projekte würden die Stellung Russlands beim Griff nach den großen Gasreserven Zentralasiens festigen. Und das Konkurrenzprojekt Nabucco, das von der Europäischen Union unterstützt wird, deutlich schwächen. Denn diese Pipeline würde an Russland vorbeiführen. Der Süddeutschen Zeitung sagt Schröder anschließend, "natürlich heißt das nicht, dass ich gegen Nabucco bin. Wissen Sie, wir können ja eigentlich gar nicht genug Pipelines haben."

Aus Schröders Sicht ist sein Auftritt jedenfalls großartig gelungen. Er hat Russlands Rolle für Europa betont, und er hat es geschafft, dass im blumengesäumten Innenhof des Zarenpalastes über seine Rede viel geredet wird. Der Pole Marek Siwiec, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, fragt den CDU-Abgeordneten Karl-Georg Wellmann: "Denkt ihr in Deutschland etwa alle so wie Schröder?"

Einige ukrainische Parlamentarier grummeln, weil sich der frühere Kanzler so gar nicht von ihrem EU-Begehren mitreißen lässt, wollen ihn allerdings auch nicht offen kritisieren. "Es war ja klar, dass er Russland unterstützen würde, für mich ist das ganz normal", sagt der Abgeordnete Dmytro Vydrin.

Nun ist Schröder zur Erleichterung vieler Polen, Ukrainer und Balten zwar nicht mehr der deutsche Kanzler. Und doch haben seine Worte dort noch immer Gewicht. Kwasniewski weiß das sehr gut.

Als Schröder vorschlägt, die Ukraine könne ja eine Brücke zwischen Russland und Europa werden, antwortet der Pole kühl: "Russland braucht keine Brücke. Die EU muss die Ukraine als unabhängigen Staat sehen und nicht als Objekt der europäisch-russischen Beziehungen." Der deutsche CDU-Abgeordnete Manfred Grund sagt, "mit dem Brücken-Vorschlag hilft Schröder der Ukraine nicht weiter. Eigentlich hätte er seine Rede auch auf Russisch halten können".

© SZ vom 03.07.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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