Bezahlung von Praktikanten:Die Untergrenze

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Der garantierte Stundenlohn sollte auch der akademischen "Generation Praktikum" helfen. Doch zwei Jahre nach seiner Einführung ist höchst strittig, ob das so funktioniert, wie von Arbeitsministerin Andrea Nahles erhofft.

Von Thomas Öchsner

Am Anfang gab es eine klare Ansage: "Ich werde das Modell der Generation Praktikum beenden", sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) im Sommer 2014. Wer nach einer Ausbildung oder einem abgeschlossenen Studium noch ein Praktikum mache, dürfe "nicht mehr monatelang für lau ausgenutzt werden". Ihnen den Mindestlohn zu zahlen, sei längst geboten.

Fast zehn Jahre zuvor war erstmals von der "Generation Praktikum" die Rede gewesen. Junge Akademiker, hieß es damals, hangelten sich von Praktikum zu Praktikum - in der vagen Hoffnung auf eine feste Stelle. Die "Generation Praktikum" avancierte zum geflügelten Wort für die massenhafte Ausbeutung von Hochschulabsolventen. Dabei waren Praktika nach dem Studium eigentlich nur bei Geistes-, Sozial-, Sprach- und Kulturwissenschaftlern ein Massenphänomen; in den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern kamen sie eher selten vor. Hier sei etwas zum Problem einer ganzen Generation erklärt worden, "was nur für einen Teil der Hochschulabsolventen ein echtes Problem ist", schrieb Joachim Möller, Chef des Instituts- für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und selbst ein Befürworter des Mindestlohns.

Nicht einmal mehr jede zweite Firma nimmt Praktikanten, sagen die Unternehmerverbände

Nahles ließ sich davon nicht beirren. Für die SPD-Politikerin war stets klar: Die neue gesetzliche Lohnuntergrenze von noch 8,50 Euro brutto die Stunde dürfe "kein Schweizer Käse" werden, also kein Gesetz mit Schlupflöchern. Folglich müsste es auch klare Regeln für Praktikanten geben. Und mit unbezahlten oder mies honorierten Kettenpraktika von Hochschulabsolventen sollte ja sowieso Schluss sein.

Aber hat diese kleine Revolution auch etwas gebracht? Oder hat der Mindestlohn sogar geschadet, weil Unternehmen nun weniger Plätze für Praktikanten anbieten?

Die Antwort hängt auch zwei Jahre nach Einführung der gesetzlichen Lohnuntergrenze sehr davon ab, wen man fragt. Die Mindestlohnkommission, in der Arbeitgeber, Gewerkschaften und unabhängige Experten vertreten sind, hält sich mit einer klaren Aussage zurück: Es gebe "noch keine belastbaren Informationen" über die Frage, wie sich die Zahl der Praktikanten entwickelt habe, heißt es im ersten Bericht der Kommission.

Etwas Licht ins Dunkel bringen einige Umfragen, die allerdings nicht repräsentativ sind. Diese deuten darauf hin, dass sich Unternehmen längst sehr gut überlegen, welche Praktikanten sie wie lange beschäftigen. Natürlich geht es dabei um Geld: Einen Mindestlohn für Praktikanten, von 2017 an um die 1450 Euro im Monat, will kaum ein Arbeitgeber zahlen - von einigen wenigen großen Konzernen wie etwa VW abgesehen. Also wird genau auf die neuen Spielregeln geschaut: Danach sind Praktikanten vom Mindestlohn ausgenommen, wenn es sich um freiwillige Praktika während eines Studiums von bis zu drei Monaten oder Pflichtpraktika im Rahmen einer schulischen, betrieblichen oder universitären Ausbildung handelt. Dann hängt die Bezahlung ganz vom guten Willen des Arbeitgebers ab. Wer eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen hat, muss als Praktikant hingegen die 8,84 Euro erhalten, die ab Januar die Mindestgrenze beim Lohn markieren.

Dieser neue Vorschriften-Mix hat die Angebote offenbar verändert: "Die Mehrheit der Studierenden erfährt Nachteile durch den Mindestlohn, der in einer Verknappung des Angebots und in einer Verkürzung der Praktikumsdauer begründet liegt", heißt es zum Beispiel beim Stifterverband, einem Zusammenschluss von Unternehmen und Stiftungen, die Bildung und Wissenschaft im Land fördern wollen. Dies gelte besonders für wirtschaftsferne Studienfächer. Auch eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts und des Personaldienstleisters Randstad unter 1000 Personalleitern zeigt: Es gibt weniger Praktikumsplätze als vor der Zeit des Mindestlohns; die Zahl der Firmen, die freiwillige oder Pflichtpraktika anbieten, ist von 77 auf 43 Prozent zurückgegangen. Auch die bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeber berichten, dass unter ihren Mitglieds-Unternehmen jeder zweite Betrieb, der überhaupt Praktikanten beschäftigt, die Angebote wegen des Mindestlohns eingeschränkt habe. Viele Firmen suchen auf ihren Internetseiten mittlerweile ausdrücklich "Pflichtpraktikanten", um mit dem Gesetz nicht in Konflikt zu geraten. Die Junge Union, der Studentenverband RCDS und die Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU fordern deshalb, den Mindestlohn für Studenten ganz abzuschaffen.

Die Arbeitgeber umgehen den Mindestlohn, klagt die DGB-Jugend

Ganz anders sieht dies die Jugend im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), die im August ihren "Faktencheck zum Praktikum und Mindestlohn" veröffentlichte. Die DGB-Jugend kritisiert, dass der Mindestlohn vielen Praktikanten nicht helfe, weil es zu viele Ausnahmen gebe. "Wenn es darum geht, bei einem Praktikum den Mindestlohn zu umgehen, sind die Arbeitgeber sehr kreativ", sagt DGB-Jugendsekretär Florian Haggenmiller. In dem "Faktencheck" berichten Studenten, dass sie unbezahlte Überstunden leisten müssen. Eine 26-jährige Studentin der Betriebswirtschaftslehre erhielt nach eigenen Angaben erst einen Praktikumsplatz, nachdem ihr der Professor schriftlich versichert hatte, es handele sich um ein Pflichtpraktikum. Bezahlt habe sie dann gar nichts bekommen, sechs Monate lang. Wie verbreitet solche Praktiken sind, bleibt offen. Auch in der DGB-Studie wird nicht auf repräsentative Daten zurückgegriffen, bei knapp 700 befragten Praktikanten.

Mittlerweile haben sich jedoch mehr als 600 Unternehmen unter www.faircompany.de zusammengetan, die fair mit Praktikanten umgehen wollen. Sie geben zum Beispiel an, keinen Hochschulabsolventen mit einem Praktikum "vertrösten" zu wollen, der sich auf eine feste Stelle beworben hat, und eine "adäquate Aufwandsentschädigung" zu zahlen.

Die DGB-Jugend wünscht sich ebenfalls ein Mindestentgelt für Praktika. Dies könnte dem Bafög-Höchstsatz entsprechen, der nun bei 735 Euro liegt. Der Stifterverband fordert, Praktikanten den halben Mindestlohn zu zahlen, da Praktika halb Lern- und halb Arbeitsphasen seien. "Dies würde einen Beitrag zur Studienfinanzierung leisten, eine große Anzahl qualitativ hochwertiger Praktikumsstellen zu moderaten Kosten sicherstellen und den Trend zu Kurzpraktika stoppen", zeigt sich der Verband überzeugt.

© SZ vom 30.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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