Betreuungsgeld-Debatte:Verschobene Wahlfreiheit

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Ursprünglich hat das Betreuungsgeld gar nicht im Grundsatzprogramm gestanden. Dann nahm die Führung den Wunsch der Basis doch auf. Weil die sich aber nicht einig war, musste Angela Merkel persönlich das umstrittene Thema retten. Nicht, weil sie die "Herdprämie" wirklich Klasse findet. Sie hatte andere Gründe.

Barbara Vorsamer

Es gab einen kleinen Aufruhr, eine kurze Diskussion und dann war wieder Ruhe. Es ging um das umstrittene Betreuungsgeld, von Kritikern auch gerne "Herdprämie" genannt. Im Entwurf zum neuen Grundsatzprogramm der CDU tauchte es nicht auf. Aber der Druck der Konservativen war so groß, dass es die CDU-Führung doch noch aufgriff. Wohl auch um unerfreuliche Debatten auf dem Hannoverschen Jubelparteitag für die Kanzlerin zu vermeiden.

Das war falsch gedacht. Am Ende musste sich Merkel sogar selbst noch einmal zu Wort melden, um dem Antrag auf das Betreuungsgeld mehr Gewicht zu verleihen. Sie argumentierte mit dem Prinzip der Wahlfreiheit - und vor allem der Außenwirkung.

Die Debatte ist der Führung etwas aus dem Ruder gelaufen. Jetzt machen die Gegner des Betreuungsgeldes mobil. Die einen sind strikt dagegen, die anderen plädieren für das Gutschein-Modell, das sich Familienministerin Ursula von der Leyen einst ausgedacht hat, um nicht noch mehr Geld in die Familien geben zu müssen.

Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, hielt das Betreuungsgeld für unbezahlbar. Sein NRW-Kollege Jürgen Rüttgers wollte auf das Betreuungsgeld gleich ganz verzichten.

Jeder Redner hatte seine Kompetenz in der Frage mit eindruckvollen Zahlen unter Beweis gestellt. "Ich bin selbst Vater von drei Kindern", sagt der eine. Eine andere: "Ich habe vier Kinder groß gezogen."

Beim Betreuungsgeld geht es um 150 Euro pro Monat, die dem Änderungsantrag zufolge jedem zu Gute kommen sollen, der sein Kleinkind unter drei Jahren zu Hause erzieht. Allerdings erst ab 2013, und damit ist das Projekt praktisch tot. Wer weiß, wer 2013 das Land regiert.

Da ist auch die Kanzlerin pragmatisch. Es gehe darum, dass Familien eine Wahlfreiheit haben. Damit sie diese haben, brauche es aber zunächst einen Ausbau der Krippenplätze. "Es ist unstrittig, dass wir den Ausbau bis 2013 schaffen wollen", sagte Merkel.

Es dürfe aber nicht der Eindruck entstehen, die Union kümmere sich nur noch um Eltern, die Beruf und Familie vereinbaren wollten. Beide Lebensmodelle verdienten Anerkennung, sagte Merkel. Zur Not eben auch mit Geld.

Doch in dieser Minute ging es nicht um Inhalte. Die Bundeskanzlerin brauchte in Hannover eine Mehrheit für das Betreuungsgeld, und zwar eine eindeutige. Nächstes Jahr stehen drei Landtagswahlen an, Schlagzeilen wie "CDU über Betreuungsgeld zerstritten" kann sie nicht gebrauchen. "Ich kann Ihnen diese Botschaft nicht empfehlen", riet sie.

Stille von der Leyen

Nicht nur wegen des anstehenden Wahlkampfs - Merkel will auch einem Konflikt mit der Schwesterpartei CSU vermeiden, ohne die das Betreuungsgeld nie auf die Agenda der CDU gekommen wäre.

Am Ende nahm die CDU den Änderungsantrag an, wenn auch mit einer "beträchtlichen Anzahl von Gegenstimmen", wie Tagungsleiter Peter Hintze feststellte. Eine beträchtliche Anzahl Gegenstimmen ist aber weitaus besser als eine knappe Mehrheit.

Auffallend still verhielt sich in der Diskussion diejenige, in deren Kompetenzbereich das Betreuungsgeld fällt: Familienministerin Ursula von der Leyen. Sie meldete sich zu diesem Thema nicht zu Wort.

Was in diesem Fall auch eine Aussage sein kann. Von der Leyen gilt als Gegnerin des Betreuungsgeldes.

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