Betreuung:"Ziemliche Katastrophe"

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In den vergangenen Jahren ist viel geschehen, damit kranke Soldaten besser versorgt werden, sagen Experten. Doch es gebe noch viele Mängel.

Von Christoph Hickmann

Belastungsstörungen waren für die Bundeswehr lange Zeit kein Thema. Erst als sie zur Einsatzarmee wurde, traten bei deutschen Soldaten erste Fälle von PTBS auf, also posttraumatischer Belastungsstörung. Doch wie geht die Truppe mittlerweile damit um? "Die Bundeswehr ist hier einen langen Weg gegangen, aber es gibt noch immer viel zu tun", sagt der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels. Mittlerweile gebe es an mehreren Bundeswehr-Krankenhäusern "eine sehr gute Kapazität" zum Thema PTBS - und seit Kurzem habe die Bundeswehr zudem einen Rahmenvertrag mit dem Bundesverband der Psychotherapeuten. Dennoch gebe es "immer wieder Fälle, bei denen Lücken im System sichtbar werden und einzelne Betroffene dann mit dem System zu kämpfen haben", sagt Bartels. Die Fortschritte schreibt er vor allem dem Bundestag zu: "Es war immer wieder der Verteidigungsausschuss, der hier im Zusammenspiel mit meinen Vorgängern im Amt des Wehrbeauftragten das Ministerium angetrieben hat", sagt Bartels, der selbst lange Mitglied dieses Ausschusses war. "Die Verbesserungen gingen alle vom Parlament aus."

In seinem jüngsten Jahresbericht stellt der Wehrbeauftragte einen leichten Rückgang fest an neu diagnostizierten PTBS-Fällen im ersten Halbjahr 2016. Allerdings werde dies relativiert "durch den Anstieg anderer einsatzbedingter psychischer Störungen, wie zum Beispiel Angststörungen und affektive Störungen". Diese könnten "durch zusätzliche Belastungen im Inland" noch verstärkt werden, heißt es im Bericht. Als Beispiel wird das in der Bundeswehr weit verbreitete Pendeln zwischen Dienst- und Wohnort genannt.

Die rechtliche Lage habe sich verbessert, sagen Fachleute, aber das reiche nicht

Die Auslöser für Traumata können vielfältig sein. Es trifft nicht nur Soldaten, die etwa in Afghanistan im Gefecht standen oder eine Sprengfalle überlebt haben. Traumata könnten auch entstehen, wenn Soldaten etwa tote Flüchtlinge aus dem Mittelmeer bergen müssten, sagt Arnd Steinmeyer, der als Vertragsanwalt des Deutschen Bundeswehrverbands PTBS-Betroffene unterstützt. Auch er konstatiert, dass sich die rechtliche Lage für Soldaten über die Jahre durch zahlreiche Gesetze verbessert habe. Dennoch beurteilt er den Umgang der Bundeswehr mit dem Thema als "ziemliche Katastrophe".

Die Verfahren dauerten sehr lang, die Gutachten seien häufig unzureichend. Und nicht alle Vorgesetzten hätten Verständnis - was vor allem für die älteren gelte, die im Kalten Krieg angefangen und nie einen schwierigen Auslandseinsatz erlebt hätten, sondern nur Übungen. Zudem fürchteten viele Soldaten trotz aller Beteuerungen von oben noch immer, dass ein Trauma zum Karrierenachteil werden könne. Entsprechend schwer falle es vielen, sich und anderen einzugestehen, dass sie Hilfe benötigten, sagt Steinmeyer.

Auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger sieht noch deutlichen Verbesserungsbedarf. "Die Bearbeitungszeiten für Wehrdienstbeschädigungen müssen deutlich auf unter ein Jahr reduziert werden, denn die ewig langen Hängepartien sind unzumutbar", sagt die Verteidigungsexpertin. Besonders schwierig sei die Lage für Soldaten, die bereits aus der Truppe ausgeschieden seien. Zudem fehlten Betreuungsangebote für die Familienangehörigen.

© SZ vom 01.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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