Besuchsverbot:Zu milde

Die Kanzlerin tadelt Erdogan nur sanft. Selber schuld.

Von Robert Roßmann

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Auslandseinsätze bedürfen der Zustimmung der Abgeordneten. Sie sind es, die die Soldaten in die gefährlichen Missionen schicken. Dass diese Abgeordneten die Bundeswehrsoldaten im türkischen Incirlik nicht besuchen dürfen, ist deshalb ein Affront. Präsident Erdoğan zeigt mit seinem Verbot einmal mehr, welch Geistes Kind er ist. Die Türkei und Deutschland sind zwar gemeinsam Mitglied der Nato, eine Werte-Allianz gibt es zwischen Merkel und Erdoğan aber schon lange nicht mehr.

Der türkische Präsident bringt die Bundesregierung mit dem Besuchsverbot in eine unangenehme Lage, denn ihre Druckmittel sind begrenzt. Die Bundeswehrsoldaten sind ja nicht Erdoğan zuliebe in der Türkei, sondern Teil einer internationalen Allianz zur Eindämmung des "Islamischen Staates". Kann man sich aus diesem Bündnis wegen des Besuchsverbots verabschieden, obwohl man den Kampf gegen den IS-Terror für nötig hält? Auch die Bundestagsabgeordneten, die jetzt mit einem Abzug der deutschen Soldaten aus der Türkei drohen, haben darauf keine befriedigende Antwort.

Richtig ist allerdings, dass die öffentliche Kritik der Kanzlerin am Vorgehen Erdoğans wieder einmal zu milde ausgefallen ist. Wer sich derlei bieten lässt, ohne deutliche Worte zu finden, muss sich nicht wundern, wenn er am Ende nicht mehr ernst genommen wird.

© SZ vom 11.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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