Beschlüsse:Auf dem Schleichweg

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Die Industrie verspricht Rabatte für Neuwagen und Software-Updates: Doch damit könnten die Maßnahmen des Diesel-Gipfels noch vor Gericht scheitern. In Stuttgart deutet sich das schon an.

Von Max Hägler

Ein Update soll reichen (von links): die Spitzenmanager Matthias Müller (VW), Harald Krüger (BMW) und Dieter Zetsche (Daimler) in Berlin. (Foto: Axel Schmidt/AFP)

Das ist definitiv nicht der normale Anfahrtsweg. Mittags, ein paar Minuten nach Zwölf, schieben sich ganz langsam dicke schwarze Limousinen über die Wiese zum Ministerium, Kastanienbäume spenden ihnen Schatten. Diesen Schleichweg haben die Politiker gewählt, um zu ihrem Diesel-Gipfel zu gelangen. Die Vertreter der Autokonzerne warten schon: Matthias Müller von Volkswagen, Harald Krüger von BMW, Dieter Zetsche von Daimler und ihre Kollegen von Audi, Porsche, Opel und Ford. Es ist ein Symbol, wie überhaupt vieles an diesem Tag von hoher Symbolkraft ist.

Dieser Tagungsort - das Bundesinnenministerium - war gar nicht vorgesehen, eigentlich sollte die Besprechung im Bundesverkehrsministerium stattfinden, gleich gegenüber dem berühmten Charité-Klinikum, von 11.30 bis 13.30 Uhr. Doch die Empörten sind schon da. Frühmorgens hatten sich Greenpeace-Aktivisten an die Ministeriumsfassade gehängt und ein Banner gespannt: "Willkommen in Fort NOx". Unten auf der Straße hatte sich Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und Hauptankläger der Autoindustrie, mit seinen Leuten postiert. In 16 Städten hat der Verband auf Maßnahmen zur Luftverbesserung geklagt - in Stuttgart könnte deswegen zum 1. Januar 2018 ein Fahrverbot kommen, von Gerichts wegen.

Und Resch erläuterte vor vielen Mikrofonen, dass hier gleich ein "Marionettentheater" stattfinden werde. Die Autokonzerne müssten endlich ihre Abgasreinigungsanlagen nachbessern. Und zwar richtig. Also nicht nur per Softwareupdate, was die Stickoxide im Schnitt um etwa 25 Prozent verringern würde, sondern mithilfe neuer, zusätzlicher Harnstoff-Katalysatoren. Sollte bei diesem Gipfel etwas anderes herauskommen, so werde er die Bürger auffordern, die Konsequenz zu ziehen bei der Bundestagswahl. CDU, CSU und SPD sind dann die Bremser.

Wie viele Besitzer werden nachrüsten? Sie können dazu nicht gezwungen werden

Resch wird von nun an seine Ablehnung wohl öfter kundtun. Denn das Ergebnis ist eben jenes, das seit Tagen schon im Raume steht, es ist die von ihm kritisierte Minimalvariante einer Nachbesserung.

Von einer "umfassenden und zügigen Nachrüstung" spricht dagegen der Auto-Branchenverband VDA. Tatsächlich spielen nun große Hersteller Softwareupdates auf für Motoren der Klassen Euro 5 und Euro 6. Wissenschaftler haben den Verbrennungsvorgang in den Motoren besser verstanden, sodass derlei Tuning möglich ist. Verbunden ist das mit Zusagen der Hersteller an die Kunden: Für die Autobesitzer wird diese Nachrüstung kostenlos sein und werde "keinen Einfluss auf Motorleistung, Verbrauch oder Lebensdauer" haben. Eine wichtige Ergänzung, denn das Programm ist "freiwillig" in jeder Hinsicht. Die Fahrer können nicht gezwungen werden; ihre Wagen sind und bleiben auch ohne die Nachrüstung legal. Sollten nur wenige mitmachen, so wird der Effekt für die Luft gering sein. Zudem sind nicht alle Hersteller dabei. Nur 2,8 der 15,09 Millionen deutschen Diesel-Wagen sollen zusätzlich nachgerüstet werden, darunter sind viele Hunderttausend, bei denen die Hersteller sowieso Verbesserungen ankündigten; nur wenn man noch die 2,5 Millionen Autos hinzunimmt, die Volkswagen im Zuge des Dieselskandals bereits umgerüstet hat, kommt man auf etwa fünf Millionen. Es geht also langsam voran zum Ziel saubere Luft, auch das passt in Bild. Ford etwa schert aus, der Konzern bietet keine Updates an. Auch die ausländischen Hersteller wie Nissan, Renault, Peugeot oder Volvo machen keine Zusagen - auch weil sie erst Rücksprache mit den Konzernchefs in der Ferne halten müssen. Einige Hersteller, BMW und Ford, bieten darüber hinaus Rabatte von mehreren Tausend Euro an, wenn Besitzer älterer Diesel sich ein neues Auto zulegen, also Wagen mit dem Abgasniveau Euro 4 und schlechter. Zudem wollen sich einige Hersteller an einem Fonds "Nachhaltige Mobilität für die Stadt" beteiligen - und den Nahverkehr oder Car-Sharing-Angebote unterstützen, also weniger Autoverkehr in Großstädten erreichen.

Die Teilnehmer kommen mit Audis, BMWs und Mercedes, dem Stolz der Republik

Das ist erst einmal alles. Damit hat sich die Autoindustrie durchgesetzt, auch wenn es zwischen den Unternehmen Kontroversen gab. Wieso sollen wir mitzahlen, fragten etwa die vom Skandal weniger betroffenen Hersteller. Jedenfalls sparen sich jetzt alle die Nachrüstung von Motoren-Komponenten, die tatsächlich aufwendig und teuer wäre; pro Wagen kämen da wahrscheinlich mehr als 1000 Euro zusammen, insgesamt eine Milliardensumme.

VW-Chef Müller schloss solche Basteleien am Mittwoch definitiv aus. Die Frage ist nun, ob diese Lösungen Bestand haben werden vor den Gerichten, wo allen voran Resch und die DUH klagen. Sollte den Richtern ein Softwareupdate nicht reichen, dann könnte sich der Diesel-Gipfel im Nachhinein als großes Scheitern herausstellen. Ein Richter in Stuttgart hat deswegen jüngst Fahrverbote verordnet, trotz Luftreinhalteplan. Was jetzt in Berlin beschlossen wurde, ist ungefähr eine Kopie des mangelhaften Stuttgarter Plans. Manche Politiker, Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) etwa, sehen diese Gefahr. Frühmorgens trafen sich die Ministerpräsidenten der Autoländer und Vertreter der Bundesregierung im Kanzleramt, um danach die paar Meter zum Innenministerium zu rollen. Beinahe zwei Stunden dauert die Vorbesprechung von Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg, Grüne), Horst Seehofer (Bayern, CSU), Stefan Weil (Niedersachsen, SPD) und den anderen Chefs der Autoländer mit der Bundesregierung. Sie gehen das Papier durch, das sie zuvor verhandelt hatten. Wirkliche Einigkeit gibt es auch nach vielen Stunden nicht. Es ist Abend geworden, als erst die Politiker und dann die Vorstandschefs vor die Kameras treten. "Ein erster wichtiger Schritt" sei das alles, sagt Umweltministerin Hendricks. Aber: Sie sei überzeugt, "dass wir Weiteres brauchen". In vier Arbeitsgruppen sollen die Hersteller nun weitere Möglichkeiten diskutieren. Sie reden noch von Hardware-Lösungen, offenbar, um gut dazustehen. Seehofer spricht mögliche Subventionen an, etwa über die Kfz-Steuer. Dann steigen sie alle - Manager wie Politiker - wieder in ihre Audis, BMWs und Mercedes. Die Marken sind der Stolz der Republik, das Symbol des Erfolges.

© SZ vom 03.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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