Berufungsgericht:Demjanjuk darf abgeschoben werden

Lesezeit: 2 min

Ein amerikanisches Berufungsgericht hat den Weg frei gemacht für die Abschiebung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Demjanjuk. Indes hat sein Anwalt Klage gegen Deutschland eingereicht.

Ein US-Bundesberufungsgericht hat am Freitag grünes Licht für die Abschiebung des mutmaßlichen NS-Verbrechers John Demjanjuk nach Deutschland gegeben. Damit ist das juristische Tauziehen um dessen Rückkehr in eine weitere Runde gegangen. Die Instanz in Cincinnati (Ohio) wies eine Eingabe der Rechtsvertretung Demjanjuks zurück, die geltend gemacht hatte, dass eine Abschiebung des 89-Jährigen wegen dessen schlechten Gesundheitszustands Folter gleichkäme. Zugleich wurde eine am 14. April verfügte gerichtliche Blockade der Abschiebung aufgehoben.

Der mutmaßliche KZ-Wächter Demjanjuk: Kann er seine Auslieferung nach Deutschland noch verhindern? (Foto: Foto: dpa)

Eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums sagte am Freitagabend unter Berufung auf die deutsche Botschaft in Washington, Demjanjuk werde auf jeden Fall nicht an diesem Wochenende abgeschoben. Es lägen außerdem noch keine Informationen darüber vor, ob seine Anwälte gegen die Entscheidung erneut rechtlich vorgehen wollen. Anfragen bei Demjanjuks amerikanischem Anwalt John Broadley zum weiteren Vorgehen blieben zunächst unbeantwortet.

Die Staatsanwaltschaft München wirft Demjanjuk vor, von März bis Ende September 1943 als 23-jähriger Wachmann im Vernichtungslager Sobibor Beihilfe zum Mord an mindestens 29.000 Juden geleistet zu haben. Am 14. April war die Abschiebung Demjanjuks, der in Seven Hills bei Cleveland (Ohio) lebt, praktisch in letzter Minute gestoppt worden.

Die Berufungsinstanz sagte am Freitag nun, der Antragsteller habe nicht nachweisen können, dass in Deutschland wirklich Folter oder eine schwere gesundheitliche Schädigung drohe. "Auf der Basis der medizinischen Informationen, die dem Gericht vorliegen, und den Darstellungen der (US-)Regierung über die Transportbedingungen (...), die ein als medizinische Luftambulanz ausgerüstetes Flugzeug und medizinisches Personal einschließen, kann das Gericht nicht zu dem Schluss kommen, dass bei der Abschiebung nach Deutschland die Wahrscheinlichkeit (...) eines irreparablen Schadens besteht", heißt es in der Urteilsbegündung.

Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, forderte ein rasches Gerichtsverfahren gegen Demjanjuk. "Dass sich seine Abschiebung nach Deutschland derart verzögert, ist unbegreiflich", sagte Knobloch im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Da Prozesse gegen NS-Handlanger ein Wettlauf gegen die Zeit seien, "muss alles juristisch Mögliche getan werden, um solche Verfahren zu beschleunigen. Ein unnötiges Hinauszögern ist nicht hinnehmbar." Die Verzögerung im Fall Demjanjuk könne aber nicht den deutschen Behörden angelastet werden.

Demjanjuks Anwalt Ulrich Busch verlangt nach Informationen von Spiegel Online von der Bundesregierung, sie solle ihre den USA gegebene Aufnahmeerklärung für den Staatenlosen zurücknehmen. Busch macht geltend, die Zustimmung der Behörden zu einer Abschiebung Demjanjuks nach Deutschland sei eine "Gesetzesumgehung". Die Bundesregierung hätte stattdessen einen Antrag auf Auslieferung stellen müssen.

© AFP/dpa/bica/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Nazi-Verbrecher
:Die Liste des Grauens

Klaas Faber lebt unbehelligt in Ingolstadt, John Demjanjuk steht in München vor Gericht: 65 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg werden noch immer NS-Verbrecher aufgespürt. Ein Überblick über wichtige Prozesse und flüchtige Nazis in Bildern.

Jetzt entdecken

Gutscheine: