Klaas Faber lebt unbehelligt in Ingolstadt, John Demjanjuk steht in München vor Gericht: 65 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg werden noch immer NS-Verbrecher aufgespürt und zur Verantwortung gezogen. Ein Überblick über wichtige Prozesse und flüchtige Nazis in Bildern. Im KZ Westerbork (im Bild) soll der gebürtige Holländer Klaas Faber Gefangene bewacht und ermordet haben. Der SS-Mann wurde nach dem Krieg in Holland zum Tode verurteilt, später wurde die Strafe in lebenslänglich umgewandelt. Trotzdem lebt Faber, inzwischen 88 Jahre alt, unbehelligt in Ingolstadt. Er war 1952 aus einem niederländischen Gefängnis nach Deutschland geflohen - hier musste er bislang nicht um seine Freiheit fürchten. Doch Israel macht nun Druck auf die Bundesregierung: Faber soll für seine Taten büßen.
Der gebürtige Ukrainer John Demjanjuk soll als "fremdvölkischer Hilfswilliger" der SS im Vernichtungslager Sobibor gearbeitet haben. Er steht derzeit in München vor Gericht, die Anklage lautet Beihilfe zum Mord an 27.900 Juden. Ende der achtziger Jahre war Demjanjuk schon einmal verurteilt worden - in Israel zur Todesstrafe. Es stellte sich jedoch heraus, dass Demjanjuk mit einem anderen NS-Verbrecher verwechselt worden war. Nach seiner Begnadigung lebte Demjanjuk in den USA in Freiheit. (sueddeutsche.de/mikö)
Kernstück der Anklage ist Demjanjuks Dienstausweis, dessen "höchstwahrscheinliche Echtheit" von mehreren Gutachtern bestätigt wurde. Die Verteidigung sieht den mittlerweile staatenlosen 90-Jährigen als "Opfer des Nationalsozialismus", der büßen solle, während in den fünfziger und sechziger Jahren etliche SS-Wachmänner vor Gericht auf Befehlsnotstand plädierten - und glimpflich davon kamen. (sueddeutsche.de/mikö)
Aribert Heim, der wohl meistgesuchte NS-Verbrecher der Welt, ist vermutlich tot. Recherchen des ZDF und der New York Times haben ergeben, dass der "Schlächter von Mauthausen" 1992 in der ägyptischen Hauptstadt Kairo gestorben ist - unter dem Namen Tarek Farid Hussein. Dies lasse sich "zweifelsfrei" belegen. Bisher waren die deutschen Behörden und die Fahnder des Simon-Wiesenthal-Zentrums davon ausgegangen, dass der gebürtige Österreicher noch lebt und sich in Südamerika versteckt hält. Er wird beschuldigt, im KZ Mauthausen bei Linz unvorstellbar grausame Medizinexperimente an Häftlingen vorgenommen und Hunderte von ihnen ermordet zu haben. Heim wäre heute 94 Jahre alt. Er lebte bis 1962 als Arzt in Süddeutschland und tauchte erst unter, als Anklage gegen ihn erhoben wurde. (sueddeutsche.de/odg)
Der ehemalige SS-Offizier Julius Viel wurde 2001 vom Landgericht Ravensburg wegen Mordes zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Er soll 1945 nahe dem tschechoslowakischen Theresienstadt aus Rassenhass und purer Mordlust sieben jüdische Häftlinge erschossen haben. Hauptbelastungszeuge in dem Prozess gegen Julius Viel war ein anderer ehemaliger SS-Mann. Viel selber bestritt die Tat. Zum Zeitpunkt des Prozesses war er 83 Jahre alt und litt bereits an Darmkrebs. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich nach dem Ravensburger Urteil rapide, der Haftbefehl gegen ihn wurde nach längerer kontroverser Debatte schließlich aufgehoben, Viel kam auf freien Fuß. Bevor es zur Revisionsverhandlung am Bundesgerichtshof (BGH) kam, erlag er im Jahr 2002 in einem Krankenhaus im Allgäu seinem Krebsleiden. (SZ/Alexander Krug)
Der 1912 geborene SS-Aufseher Anton Malloth hatte 1943 im Gestapo-Gefängnis Theresienstadt einen Gefangenen zu Tode geprügelt und auf einen anderen geschossen. Jahrzehntelang lebte er unbehelligt in Südtirol. 1988 wurde er nach Deutschland ausgewiesen und zog in ein Seniorenheim in Pullach bei München. Erst im Jahr 2000 wurde er von der Staatsanwaltschaft angeklagt und 2001 vom Münchner Schwurgericht zu lebenslanger Haft verurteilt. Malloth litt an Speiseröhrenkrebs, Ärzte hatten ihn aber als verhandlungsfähig eingestuft. Jedem potentiellen Täter müsse klar sein, dass er "bis ans Ende seiner Tage" zur Rechenschaft gezogen werden könne, sagte der Vorsitzende Richter damals in der Urteilsbegründung. Im Oktober 2002 wurde Malloth für haftunfähig erklärt und entlassen. Zehn Tage später starb er. (SZ/Alexander Krug)
Der SS-Offizier Erich Priebke, 95, wurde 1998 in Italien von einem Militärtribunal als Kriegsverbrecher zu lebenslanger Haft verurteilt. Der ehemalige SS-Hauptsturmführer war 1944 an der Erschießung von 335 Zivilisten bei Rom beteiligt gewesen. Das Massaker war die "Vergeltung" für einen Partisanenüberfall auf deutsche Soldaten in Rom. Nach dem Krieg war Priebke in Argentinien untergetaucht, von dort wurde er 1995 nach Italien überstellt. Aus "Gesundheitsgründen" wurde er schließlich im Jahr 1999 aus der Haft entlassen und in Rom unter Hausarrest gestellt. Als dieser 2007 gelockert wurde, kam es zu heftigen Protesten in Italien. Nach wenigen Tagen wurden die Lockerungen wieder zurückgenommen. Priebke sagt bis heute, er sei unschuldig; Rechtsextremisten fordern immer wieder seine Freilassung. (SZ/Alexander Krug)
Der ehemalige SS-Sturmbannführer und Chef des Sicherheitsdienstes der SS in Genua, Friedrich Engel, wurde 2002 in Hamburg des 59-fachen Mordes schuldig gesprochen. Er hatte 1944 in Italien die Erschießung von 59 Zivilisten kommandiert. Die Hamburger Richter verzichteten damals auf eine lebenslängliche Strafe und verhängten mit Rücksicht auf die "unglaublich lange Zeitspanne" zwischen Tat und Prozess eine Strafe von sieben Jahren. Der Bundesgerichtshof (BGH) kassierte das Urteil 2004 aus rechtlichen Gründen. Die Karlsruher Richter sahen das Mordmerkmal der Grausamkeit nicht ausreichend bewiesen. In Hinblick auf das hohe Alter Engels verwiesen sie den Fall aber nicht zurück ans Hamburger Landgericht sondern stellten das gesamte Verfahren ein. Engel starb 2006 im Alter von 97 Jahren. (SZ/Alexander Krug)
Der ehemalige SS-Oberscharführer Josef Schwammberger kommandierte verschiedene SS-Zwangsarbeitslager im Distrikt Krakau. 1992 wurde der damals 80-Jährige vom Landgericht Stuttgart wegen Mordes an 25 und Beihilfe zum Mord an mindestens 641 jüdischen Häftlingen zu lebenslanger Haft verurteilt. "Er war wie der Teufel", erinnerte sich ein Zeuge. Schwammbergers Anwälte äußerten damals Zweifel an der praktischen Durchführbarkeit eines Prozesses wegen der langen Zeitspanne. Das Erinnerungsvermögen von Zeugen sei mit vielen Mängeln behaftet, Selbsterlebtes vermische sich mit dem, was man nur gehört oder gelesen habe. Im Jahr 2002 wurde Schwammbergers vorzeitige Entlassung vom Landgericht Mannheim abgelehnt. Er starb 2004 im Alter von 92 Jahren im Gefängniskrankenhaus. Zu den Naziverbrechern, die wie Demjanjuk noch nicht zur Rechenschaft gezogen wurden, gehört ... (SZ/Alexander Krug)
... der in Österreich lebende Kroate Milivoj Asner. Ihm wird vorgeworfen, sich als Polizeichef in seiner Heimat aktiv an der Verfolgung und Deportation Hunderter Serben, Juden sowie Sinti und Roma beteiligt zu haben. Österreich verweigert die von Kroatien geforderte Auslieferung des Mannes, der seit 1946 österreichischer Staatsbürger ist, mit der Begründung, Asner sei nicht gesund genug für eine Auslieferung beziehungsweise für eine Anklage. Allerdings wurde der heute 95-Jährige während der Fußball-Europameisterschaft 2008 von einem Reporter der britischen Boulevard-Zeitung Sun bei einem Gang über die Klagenfurter Fanmeile aufgespürt. Der Journalist beschrieb ihn als rüstig und geistig klar. (sueddeutsche.de/mati/jja)
Die dänischen Behörden interessieren sich sehr für Sören Kam. Der 1921 in Kopenhagen geborene Kam war Mitglied der SS und wird beschuldigt, für den Tod eines dänischen Journalisten verantwortlich zu sein. Kam soll zudem das Einwohnerverzeichnis der jüdischen Gemeinde in Dänemark gestohlen und damit die Deportation von dänischen Juden in Konzentrationslager ermöglicht haben. Kam wurde in Dänemark angeklagt. Weil jedoch ein bayerisches Gericht 2007 zu dem Schluss kam, es handele sich um Totschlag, der in Deutschland verjährt sei, wurde er nicht ausgeliefert. Die Behörden in Dänemark wollen den Fall neu aufrollen und die Rolle des heute 88-Jährigen bei der Deportation dänischer Juden untersuchen. Diese Aufnahme zeigt Sören Kam im August 1943. (sueddeutsche.de/mati/jja)
Karoly Zentai hat mittlerweile den Vornamen Charles angenommen. Er soll 1944 an der Verfolgung und dem Mord von Juden in Budapest teilgenommen haben. Er lebte lange in Deutschland, wanderte dann nach Australien aus und wehrt sich gegen die Auslieferung an Ungarn. Dieses Bild zeigt Zentai im August 2007 vor einem Gericht in Perth. (sueddeutsche.de/mati/jja)
Harry Männil lebt in Venezuela, stammt jedoch aus Estland. Der Polizeioffizier soll Juden festgenommen haben, die danach von Nationalsozialisten und estnischen Kollaborateuren ermordet wurden. Die estnische Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen gegen ihn wegen Mangels an Beweisen ein. Der Unternehmer darf nicht in die USA einreisen. Desweiteren fahndet das Simon-Wiesenthal-Zentrum nach dem 85 Jahre alten Mikhail Gorshkow, der in Weißrussland Juden ermordet haben soll. Der in Sachsen lebende Litauer Algimantas Dailide soll als Polizist in Vilnius geholfen haben, Juden zu verhaften. Der heute 87-Jährige wurde 2006 in Litauen zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, die er aus Gesundheitsgründen nie antreten musste. Der 1914 geborene Ungar Sandor Kepiro soll am 23. Januar 1942 aktiv am Massenmord an Hunderten Zivilisten in der jugoslawischen Stadt Novi Sad beteiligt gewesen sein, für den er bereits während des Zweiten Weltkrieges in Ungarn verurteilt wurde. Nach der deutschen Besetzung Ungarns 1944 wurde er jedoch freigelassen. Das Bild zeigt Männil im Jahr 2001 in Tallinn. (sueddeutsche.de/mati/jja)
Lange Zeit stand Alois Brunner ebenfalls an erster Stelle der Liste der meistgesuchten Naziverbrecher. Brunner, der 1912 geboren wurde, galt als rechte Hand von Adolf Eichmann und war in Syrien untergetaucht. Da er seit 2001 nicht mehr gesehen wurde, gehen Experten vom Tode Brunners aus. (sueddeutsche.de/mati/jja)