Berlusconi im EU-Parlament:Der Mann in der fünften Reihe

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Dem Europa-Parlament gehörte Berlusconi selber 23 Monate lang an, doch tat er sich dabei kaum hervor.

Christian Wernicke

Europas Hohes Haus ist, anders als viele nationale Parlamente, kein Raum für verbale Schlammschlachten. Fast immer geht es streng sachlich - und zumeist arg langweilig - zu im Straßburger Plenum, sobald die Abgeordneten etwa über letzte Details von EU-Richtlinien zum Emissionshandel oder zur Kennzeichnung von Gen-Food debattieren.

Insofern war der Kapo-Vergleich, mit dem Italiens Ministerpräsident den SPD-Politiker Martin Schulz am Mittwoch belegte, für viele der versammelten Berufseuropäer mehr als nur die Beleidigung eines Kollegen. Es war ein Kulturschock. Und der Gast, der dafür die Verantwortung trägt, weiß das nur zu genau: Schließlich war Silvio Berlusconi 23 Monate lang selbst EU-Parlamentarier.

Vom Juli 1999 an bis zu seinem Aufstieg zum römischen Regierungschef im Juni 2001 saß Silvio Berlusconi einigermaßen regelmäßig und scheinbar bescheiden in der fünften Reihe des weiten Runds. Sonderlich aufgefallen ist er dabei niemandem, auch nicht Klaus-Heiner Lehne, der stets direkt vor ihm saß: "Berlusconi war oft da, aber ich kann mich an keine Rede von ihm erinnern", erzählt der deutsche CDU-Abgeordnete.

Wirbel hinter den Kulissen

Für Wirbel sorgte Italiens damaliger Oppositionsführer nur hinter den Kulissen des Parlaments - und auch schon damals spielte Berlusconis deutscher Widerpart eine zentrale Rolle.

Der SPD-Abgeordnete Martin Schulz nämlich witterte Anfang 2001 einen Skandal: Ein spanischer Richter hatte bei der früheren Parlamentspräsidentin Nicole Fontaine die Aufhebung der Immunität von Berlusconi und dessen Kollegen und engem Vertrauten Marcello DellUtri beantragt, wegen des Verdachts korruptiver Machenschaften.

Doch die konservative Französin, wie die beiden Beschuldigten in der christdemokratischen Fraktionsfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP) beheimatet, hatte das Begehr aus Madrid wegen eines Formfehlers nicht vorangetrieben. Am Ende verlief sich das Verfahren.

Aber Schulz wurde, wie sein Angriff am Mittwoch bewies, den Verdacht nie los, Berlusconis europäische Parteifreunde hätten damals den Gang der Justiz behindert und so den Wahlsieg von Berlusconis Forza Italia daheim ermöglicht.

Lehne hat da eine andere Erinnerung: "Die Präsidentin hat damals absolut korrekt gehandelt." Aber ebenso ist dem CDU-Rechtsexperten im Gedächtnis, wie seine Partei erst nach Warnungen von Martin Schulz die 1999 schon vorbereitete Kür von Berlusconis Freund DellUtri zum stellvertretenden Vorsitzenden ausgerechnet des Innenausschusses verhinderte. DellUtri, dem daheim Bilanzfälschungen und sogar Mafia-Kontakte nachgesagt wurden, musste seine Straßburger Ambitionen aufgeben. Und Lehne gibt zu: "Wir haben als EVP erst vom Kollegen Schulz davon erfahren."

Zu grundsätzlichen Zweifeln am politischen Bündnis mit der Forza Italia sieht man bei Europas Christdemokraten "keinerlei Anlass". Das sagt Hans-Gert Pöttering, der als Chef der EVP-Fraktion im EU-Parlament Ende der neunziger Jahre tatkräftig mithalf, Berlusconis Partei unter das Dach der EVP zu holen: "Die Kollegen der Forza Italia verhalten sich ausgesprochen loyal," lobt der CDU-Politiker.

Auch bei der EVP-Krisensitzung nach Berlusconis Ausbruch am Mittwoch in Straßburg habe niemand dieses Bündnis in Frage gestellt - auch keiner jener Christdemokraten aus den Niederlanden oder Belgien, die 1998 noch scharf gegen die Allianz protestiert hatten. Pöttering, von Berlusconis Kapo-Ausbruch sichtlich konsterniert, räumt zwar ein: "Das Ereignis vom Mittwoch hat bei mir Spuren hinterlassen." Nur welche? - "Das möchte ich nicht sagen."

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