Isolationshaft, Folter, Todesdrohungen - zwei Jahre musste Khalid al-Sharif all das ertragen, weil er der "Libysch-Islamischen Kampfgruppe" (LIK) angehörte, einer Organisation, deren Ziel der Sturz des libyschen Dikators Muammar al-Gaddafi war. Dafür musste er leiden: Durch die CIA, wie Human Rights Watch vermutet.
In ihrem Bericht "Delivered Into Enemy Hands" wirft die Menschenrechtsorganisation den USA vor, während der Bush-Ära libysche Oppositionelle zu Unrecht in CIA-Gefängnissen gefangen gehalten zu haben. Dort seien sie auch schwer misshandelt worden.
Dabei soll auch Waterboarding zur Anwendung gekommen sein, also das simulierte Ertränken von Gefangenen. Dies widerspricht Aussagen des ehemaligen CIA-Chefs Michael Hayden. Der hatte 2008 vor einem Kongressausschuss in Washington erklärt, dass diese Verhörmethode bei den mutmaßlichen Topterroristen Khalid Scheich Mohammed, Abu Subaida und Abdel Rahim el-Nashiri angewendet worden sei - danach jedoch nicht mehr.
Die Vorwürfe basieren auf Dokumenten, die nach dem Sturz Gaddafis entdeckt wurden. Außerdem sprach Human Rights Watch mit 14 libyschen Oppositionellen, die ihre Heimat zwischen 1988 und 1990 verlassen mussten, weil ihnen viele Jahre Gefängnis oder sogar die Todesstrafe drohte. Khalid al-Sharif floh nach Saudi-Arabien, Pakistan und anschließend nach Afghanistan. Er war sehr aktiv für die LIK und organisierte verschiedene Aktionen gegen die Regierung.
Zwischen 2000 und 2001 galt die LIK neben al-Qaida als eine der größten bewaffneten arabischen Gruppen in Afghanistan. Informationen von Human Rights Watch zufolge nahm al-Qaida zu dieser Zeit Kontakt zu den libyschen Oppositionellen auf, um sich mit ihnen zu vereinen. Doch die Mitglieder lehnten das ab. Als die USA im Oktober 2001 in Afghanistan einmarschierte, flohen die meisten Libyer in benachbarte Länder. Khalid al-Sharif ging mit seiner Familie in den Iran, musste aber nach Pakistan zurückkehren.
Per Container in die Heimat
In Peschawar wurde er gemeinsam mit einem anderen Aktivisten gefangen genommen, bei dem Versuch zu fliehen, brach er sich den Fuß. Bei den folgenden Verhören befragte ihn nach eigenen Angaben ein Amerikaner mit schlechten Arabischkenntnissen. Wenn Sharif keine zufriedenstellende Antwort auf die Fragen geben konnte, habe ihm ein Mann aus Pakistan auf den verletzten Fuß getreten oder hätte ihn ausgepeitscht. Bei einem späteren Verhör sei ihm gesagt worden, dass er an einen Ort gebracht würde, an dem man ihm zum Reden bringen würde. Dieser Ort war Afghanistan.
Wie Sharif sagte, habe ihn in dem neuen Gefängnis ein Mann in Empfang genommen, der sich als Amerikaner zu erkennen gab. In seiner Zelle sei er an Eisenringe gekettet worden - bis zu drei Wochen. In den Gesprächen mit Mitarbeitern von Human Rights Watch berichten er und sein Mitgefangener von Waterboarding während der Verhöre. Er habe sich auf eine Plastikunterlage legen müssen, deren äußere Enden von Wachen hochgehalten wurden, so dass kein Wasser auslaufen konnte, sagte Sharif. Ihm sei eine Kapuze über den Kopf gezogen worden und anschließend hätte ihm jemand eiskaltes Wasser über Mund und Nase laufen lassen, so dass er das Gefühl hatte zu ertrinken. Ein Arzt sei anwesend gewesen und habe regelmäßig seine Körpertemperatur gemessen.
Neben schwerer Folter wirft Human Rights Watch den USA, aber auch Großbritannien vor, libysche Oppositionelle an das Gaddafi-Regime ausgeliefert zu haben - wohl wissend, dass ihnen dort weitere Misshandlungen oder sogar die Todesstrafe drohte. Tatsächlich wurden zehn der 14 von Human Rights Watch Befragten ausgeliefert, als sich die Beziehungen zwischen dem Westen und Libyen verbesserten. Als Ausgangspunkt dafür gilt der Besuch Tony Blairs am 25. März 2004. In zwei Fällen könne anhand von Dokumenten eindeutig nachgewiesen werden, dass die USA sowie Großbritannien an der Auslieferung beteiligt gewesen seien, heißt es in dem Bericht.
Auch Khalid al-Sharif wurde zurück in seine Heimat gebracht: "Als sie wussten, dass ich nichts mit al-Qaida zu tun habe, fragten sie mich immer wieder, was meiner Meinung nach die Lösung für mich wäre", sagte er den Mitarbeitern der Menschenrechtsorganisation. Seinen Peinigern hätte er gesagt, dass ihm in Libyen die Todesstrafe drohe. Am 20. April 2005 wurde er dennoch in einem Container per Schiff in sein Heimatland geschickt, wo er in Isolationshaft kam.
Am 23. März wurde er freigelassen, musste jedoch öffentlich sein Ziel widerrufen, die libysche Regierung stürzen zu wollen. Ein Jahr später, als die Revolution in dem Land in vollem Gange war, wurde er erneut verhaftet. Mit dem Sturz von Gaddafi kam Sharif schließlich frei. Derzeit ist er der Chef der Nationalgarde. Seine Aufgabe: Die Sicherheit in Gefängnissen zu gewährleisten, in denen wichtige Häftlinge sitzen - meist Getreue von Gaddafi.