Belgien:Nicht ohne die Wallonen

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Das Land besteht aus drei Gemeinschaften, das macht die Abstimmung über Ceta so kompliziert: Neben dem nationalen Parlament müssen in Belgien auch die Vertretungen der Flandern, der Deutschsprachigen und der Wallonen zustimmen.

Von Thomas Kirchner

Politik in Belgien ist kompliziert, weil es so viele divergierende Interessen und Sprachgebiete unter einen Hut zu bringen gilt. Wie verwirrend - hin und wieder auch kontraproduktiv - die Verantwortlichkeiten geregelt sind, zeigte sich in den vergangenen Monaten bei der Terrorbekämpfung. Und nun könnten die Eigenheiten des politischen Systems sogar das Handelsabkommen mit Kanada zu Fall bringen. Oder zumindest den Abschluss verzögern.

Als die EU-Kommission im Sommer beschloss, angesichts des öffentlichen Protests die nationalen Parlamente über Ceta abstimmen zu lassen, rieben sich einige belgische Lokalpolitiker die Hände. Denn das Land ist in drei Regionen und drei Gemeinschaften geteilt, mit je eigenen Volksvertretungen. Zu ihren weitgefassten Zuständigkeiten gehört neben dem Außenhandel der Abschluss völkerrechtlicher Verträge, weshalb sie, zusätzlich zum nationalen Parlament, ihr Einverständnis geben müssen, bevor die Regierung dem Vertrag am 18. Oktober formell zustimmen kann.

Der liberale Premier Charles Michel will das Abkommen unbedingt. Im nationalen Parlament und in Flandern gilt die Mehrheit für Ceta als sicher. Bei der deutschsprachigen Gemeinschaft wackelt sie, während die Zeichen im frankophonen, traditionell links regierten Süden klar auf Ablehnung stehen. Neben dem wallonischen Parlament sperren sich nun auch die Abgeordneten der Region Brüssel-Hauptstadt und jene der französischsprachigen Gemeinschaft. In all den Kammern bilden Sozialisten zusammen mit Christdemokraten und zum Teil noch einer dritten Partei die Mehrheit. Es überwiegt die Ansicht, dass Ceta Verbrauchern sowie kleineren und mittleren Unternehmen zu wenig Schutz bietet. Für Bauern werden Nachteile durch billige Fleischimporte befürchtet. Auch die Zusatzerklärung zu dem Abkommen, die die EU-Kommission in letzter Minute mit Kanada ausgehandelt hat, um Kritiker zu besänftigen, wiege "zu leicht", sagte die Sozialistin Olga Zrihen am Montag bei einer Debatte im Parlament der frankophonen Gemeinschaft. Andere nannten den Zusatz "unzusammenhängend" und bezeichneten ihn als "Katze im Sack".

Am Freitag will sich das wallonische Parlament endgültig festlegen. Eine entscheidende Rolle dürfte dem wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette zukommen. Der Sozialist, dem nationale Ambitionen nachgesagt werden, ist auf einer Japan-Reise mit dem belgischen Königspaar. Er reist nun extra früher nach Hause.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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