Belarus:Massenproteste gegen Lukaschenko

Lesezeit: 2 min

Trotz Drohungen der Regierung gehen in Minsk und anderen Städten Zehntausende für ein neues Belarus auf die Straße. Russland signalisiert Unterstützung für den Staatspräsidenten.

Rosen-Revolution: Eine Teilnehmerin an der Demonstration gegen Präsident Lukaschenko in Minsk. (Foto: Vasily Fedosenko/Reuters)

In Belarus haben am Wochenende erneut zehntausende Menschen gegen Staatschef Alexander Lukaschenko protestiert. Auf dem Unabhängigkeitsplatz in Minsk kamen am Sonntagnachmittag Bürger aus allen Teilen der Hauptstadt zusammen. Sie riefen "Freiheit! Freiheit" und forderten in Sprechchören ein "neues Belarus", das demokratisch sein solle. Zuvor hatte es massive Drohungen des Innen- und des Verteidigungsministeriums gegeben. Massenveranstaltungen seien illegal, wer teilnehme, werde zur Verantwortung gezogen, hieß es. Lukaschenko hatte immer wieder damit gedroht, auch die Armee einzusetzen.

Seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 9. August kommt es fast täglich zu Protesten und Streiks in den Staatsbetrieben. Die von Betrugsvorwürfen begleitete Präsidentenwahl hat eine massive innenpolitische Krise und anhaltende Proteste ausgelöst. Die Opposition beansprucht den Wahlsieg für die 37 Jahre alte Swetlana Tichanowskaja. Sie ist in das EU-Nachbarland Litauen geflohen. Sie sagte am Sonntag in einem Interview, sie sei zu einem "Symbol für den Kampf des belarussischen Volkes für seine Rechte" geworden und würde sich selbst als "nationale Anführerin" bezeichnen. "Ich bin hier und werde alles in meiner Macht Stehende tun, um den Menschen nützlich zu sein und ihnen im Kampf für eine neue, faire und transparente Wahl zu helfen."

Die EU hat die Wahl Lukaschenkos nach den Fälschungsvorwürfen und der Polizeigewalt gegen Demonstranten nicht anerkannt. Russland hingegen teilte am Sonntag mit, man sehe Anzeichen für eine Stabilisierung im Nachbarland. Außenminister Sergej Lawrow sagte laut russischen Nachrichtenagenturen in Moskau, die von Lukaschenko vorgeschlagene Verfassungsreform könne die Krise lösen. Das Programm der Opposition sei dagegen weder konstruktiv noch ziele es auf einen Dialog. Im Übrigen werde es nicht zu beweisen sein, dass Lukaschenko die Wahl nicht gewonnen habe. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) erneuerte ihre Bereitschaft, in Belarus zu vermitteln. Lukaschenko lehnt eine Vermittlerrolle bislang ab

Polen hat Vorwürfe Lukaschenkos zurückgewiesen, wonach es die Grenzen des Nachbarlandes bedrohe. Die Souveränität und territoriale Integrität aller Staaten sei eine Grundlage des internationalen Rechts, für das sich Polen stets einsetze, sagte der außenpolitische Berater von Präsident Andrzej Duda, Krzysztof Szczerski, am Samstagabend laut Nachrichtenagentur PAP. Lukaschenko hatte am Samstag bei einem Besuch beim Militär in der Nähe von Grodno gewarnt: "Wir sehen eine ernste Bewegung der Streitkräfte der Nato in unmittelbarer Nähe unserer Grenzen auf den Gebieten Polens und Litauens." Bei einer Kundgebung sagte er: "Manche reiben sich schon die Hände und erinnern sich an ihre ,Ostgebiete', wo alles Belarussische verboten war." Lukaschenko spielte damit darauf an, dass zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg ein Teil des heutigen Belarus an Polen angegliedert war. Auch Litauens Präsident Gitanas Nauseda hat die Vorwürfe von Lukaschenko zurückgewiesen, nach denen die Nato-Nachbarn einen Umsturz planten.

© SZ vom 24.08.2020 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: