Gemeinnützige Arbeit:Ältere drängen in den Freiwilligendienst

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Wo früher Schluss war, geht es heute erst richtig los: Die Bewerber für den Bundesfreiwilligendienst werden immer älter - gerade in solchen Regionen, wo es sonst wenig Arbeit gibt.

Von Charlotte Frank

Mit 25 Jahren war Schluss. Wer älter war und trotzdem plötzlich ein paar Monate lang in den Fluren von Pflegeheimen, Kliniken und Kitas herumschlich und für ein Taschengeld dort helfen wollte - mit dem konnte irgendwie etwas nicht stimmen. Zivildienstleistende in Deutschland waren 18 bis 23 Jahre alt, nur in Ausnahmen mussten Männer bis zum 25. Lebensjahr eine "Einberufung" fürchten. Danach war Schluss.

Ohnehin ist längst auch der Zivildienst Vergangenheit: Er wurde 2011 mit der Wehrpflicht ausgesetzt - den Bedarf an Hilfskräften soll seitdem der Bundesfreiwilligendienst decken. In diesem BFD zeigt sich nun: Mit Ende 20 ist nicht Schluss - da geht's erst richtig los. Die Freiwilligen werden immer älter. Attraktiv ist der Dienst für Frauen um die 40.

Aktuell gibt es etwa 35.000 BFDler in Deutschland. "Die Bewerberzahl übersteigt regelmäßig das Angebot", sagt Jens Kreuter, Leiter des Arbeitsstabs Freiwilligendienste im Familienministerium. Damit hatte kaum einer gerechnet, als der Zivildienst auslief und allenthalben vor einem Kollaps im Sozialsektor gewarnt wurde.

Womit noch weniger zu rechnen war: Was die Öffnung des BFD für Engagierte jeden Alters bewirken würde. Bundesweit sind heute 40 Prozent der BFDler älter als 27 Jahre. Vor allem im Osten zeigt sich ein Trend: Dort sind 76,5 Prozent der Freiwilligen über 27. Die ältesten Teilnehmer hat Thüringen, wo 86 Prozent der BFDler mindestens 27 Jahre alt sind. Das geht aus einer Auswertung der Hertie School of Governance und des Centre for Social Investment der Universität Heidelberg hervor.

"Ältere Interessenten planen oft langfristiger"

"Ich warne vor Schnellschlüssen zur Motivation der Bewerber", sagt Kreuter, der es als großen Gewinn lobt, "wenn Menschen mit Lebenserfahrung unter den Freiwilligen sind". Aber auch der Experte sieht, dass gerade in solchen Regionen viele 40- bis 50-Jährige den BFD wählen, in denen es sonst wenig Arbeit gibt. "Damit der BFD ein Lerndienst bleibt, soll es monatlich einen Seminartag geben", sagt er.

Denn offiziell gilt der Dienst als "Lern- und Orientierungszeit". Sein pädagogisches Rahmenprogramm ist wichtig, um ihn von einem Billigarbeitssektor abzugrenzen - BFDler erhalten monatlich maximal 350 Euro, dazu mitunter kostenlose Verpflegung und Unterbringung. In Regionen mit geringer Arbeitslosigkeit ist auch das Alter der Teilnehmer niedrig: Die jüngsten Freiwilligen haben Hamburg und Bayern.

"Wir sind in einer Phase, in der alle den BFD und seine begleitende Bildung qualitativ weiter ausdifferenzieren müssen", sagt Rainer Hub, bei der Diakonie für Freiwilliges soziales Engagement und Freiwilligendienste zuständig. Das aber ist nicht so einfach. Ältere Freiwillige haben familiäre Verpflichtungen, sie können nicht mal eben wie ein Abiturient für eine Seminarwoche verreisen. Viele wollen auch nicht mehr in Allgemeinbildung unterrichtet werden. Die Träger müssen ihre Curricula nun umschreiben.

Viele Anbieter achten inzwischen bewusst darauf, dass zu den Sommerferien hin noch Plätze übrig bleiben. "Ältere Interessenten planen oft langfristiger", sagt Kreuter. Deshalb wirbt er bei Trägern für eine "hälftige Aufteilung" der Plätze zwischen älteren und jüngeren Bewerbern. Auch Schulabgänger, die sich spontan für ein freiwilliges Jahr entscheiden, haben so noch Chancen.

© SZ vom 10.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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