Begräbnis für Kaczynski:Die letzte Unruhe

Verdient es der verstorbene Präsident, in einer Reihe mit den Größten der polnischen Geschichte zu stehen? Eine Kontroverse spaltet Polen - Schuld ist die Kirche.

Thomas Urban, Warschau

Das Flugzeugunglück, bei dem der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski an der Spitze einer Delegation wichtiger Politiker und höchster Militärs umgekommen ist, schien in den letzten Tagen die ganze Nation in Trauer zu einen.

Die überwältigende Mehrheit seiner Landsleute sah es Kaczynski nach, dass er als Präsident oft ungeschickt gehandelt hatte und auch bei den europäischen Nachbarn nicht gut angesehen war. Denn der Tod hatte ihn auf dem Weg nach Katyn ereilt, dem Ort polnischen Martyriums, wo im Zweiten Weltkrieg Tausende ermordet worden waren.

Doch schon drei Tage später spaltet die Kontroverse um den angemessenen Begräbnisort das Land. Der Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz, einst Privatsekretär des polnischen Papstes, ist offenbar ohne Absprache vorgeprescht und hat die Wawel-Kathedrale als letzte Ruhestätte bestimmt. Dort liegen die größten Könige sowie die bedeutendsten Freiheitskämpfer des Landes begraben.

Die Regierung befindet sich in einem Dilemma. Sie wird einerseits von den Gegnern Kaczynskis gestellt, andererseits würden ihr Einwände gegen den Wawel als Mangel an Patriotismus angekreidet.

Doch auch Intellektuelle und Künstler, allen voran der Regisseur des Katyn-Films, Andrzej Wajda, sind strikt dagegen, den als Präsidenten glücklos agierenden Kaczynski in eine Reihe mit den Größten der polnischen Geschichte zu stellen.

Dies würde die Leistung aller anderen schmälern, die in der Wawel-Krypta ruhen. So spricht nun alles dafür, dass ausgerechnet ein Kardinal, der nach eigenen Worten die "Erziehung zum Patriotismus" als Aufgabe der Kirche sieht, in der Woche der großen Trauer Unfrieden unter den Polen gesät hat.

© SZ vom 15.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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