Bayerische Helferin verschleppt:Geiselnahme zieht Deutschland in Irak-Konflikt

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Die Bundesregierung kämpft um die Freilassung der im Irak verschleppten Deutschen Susanne Osthoff, deren Entführer die deutsch-irakische Zusammenarbeit sabotieren wollen. Sie drohen damit, Osthoff und ihren ebenfalls am Freitag entführten irakischen Fahrer zu töten, wenn Berlin nicht umgehend die Hilfe für den Irak einstellt.

Annette Ramelsberger

Deutschland leistet dem Land Aufbauhilfe in Höhe von 200 Millionen Euro. Die Bundesregierung hat offenbar auch die US-Streitkräfte im Irak um Hilfe bei der Suche nach den Geiseln gebeten. Das Bekenner-Video lässt den Hintergrund der Täter im Unklaren.

Im Irak entführt: Susanne Osthoff (Foto: Foto: AFP)

Kanzlerin Angela Merkel steht damit eine Woche nach ihrer Wahl vor ihrer ersten schwierigen politischen Herausforderung. Sie forderte die Entführer auf, die beiden Opfer "unverzüglich in sichere Obhut zu übergeben".

Die Bundesregierung werde "alles in ihrer Macht Stehende tun, um beide so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen und ihre Leben zu sichern".

"Wir sind nicht erpressbar"

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) machte die Entführung bei seinem Antrittsbesuch in Washington zum Thema. Offenbar bat die deutsche Regierung die US-Streitkräfte im Irak um Hilfe bei der Suche. Steinmeier verurteilte die Geiselnahme aufs Schärfste und verlangte die Freilassung der Opfer.

"Wir sind nicht erpressbar", sagte er nach einem Gespräch mit US-Außenministerin Condoleezza Rice. Er dankte seiner Kollegin dafür, "dass die USA uns mit ihrem Wissen und ihren geographischen Kenntnissen Unterstützung leisten".

Merkel und Steinmeier hatten noch in der Nacht telefoniert und stehen in ständigem Kontakt. Der Krisenstab nahm Kontakte zu allen "relevanten Kräften im Irak" auf. Das sind dort in erster Linie die Amerikaner.

Nach ersten Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes ist die 43 Jahre alte Susanne Osthoff, die aus dem Landkreis Ebersberg bei München stammt, am Freitag zu einer Überlandfahrt im Irak aufgebrochen, von der sie nicht zurückkehrte.

Umringt von vermummten Kämpfern

Schnell ging die deutsche Botschaft in Bagdad von einer Entführung aus. Bereits am Samstag trat in Berlin der Krisenstab zusammen.

Am Montagabend folgte der Beweis: Einem örtlichen Mitarbeiter der ARD wurde in Bagdad das Video zugespielt, das die gefesselte Susanne Osthoff und ihren Fahrer umringt von vermummten Kämpfern zeigt.

Seit dem Wochenende bemüht sich der Krisenstab, Informationen über die Entführten zu bekommen. Aus "ermittlungstaktischen Gründen" will das Auswärtige Amt keinerlei Angaben zum Inhalt des Videos machen - weder ob es darin religiöse Bezüge gibt noch zum genauen Wortlaut.

Wie die Süddeutsche Zeitung jedoch erfuhr, werden durchaus Gebetsformeln gesprochen. Allerdings seien sie nicht in der typischen radikalen Sprache islamistischer Terroristen gehalten, hieß es in Sicherheitskreisen.

So ist bisher nicht geklärt, ob es sich bei den Entführern um gemeine Kriminelle handelt, denen es hauptsächlich um Lösegeld geht, oder um islamistische Terroristen, die in erster Linie politische Ziele verfolgen.

Engagement für Hilfsbedürftige

Osthoff engagiert sich für die humanitäre Hilfe im Irak und brachte immer wieder Medikamente in die umkämpfte Hauptstadt Bagdad.

Sie lebt dort seit vielen Jahren und spricht fließend Arabisch. Ihre zwölfjährige Tochter lebt in einem Internat in Deutschland. Die Mutter der Entführten appellierte an die Regierung, ihrer Tochter zu helfen. Die Freilassung dürfe nicht an Berlin scheitern. Offenbar wurde Osthoff schon im Sommer bedroht. Sie war daraufhin zur Ausreise aufgefordert worden.

Harte Linie gefordert

Die FDP forderte die Regierung auf, unnachgiebig gegenüber den Entführern zu sein. "Deutschland darf sich nicht erpressen lassen, weil dies ein Anreiz für weitere Entführungen sein könnte", sagte Außenexperte Werner Hoyer.

Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin zog den Vergleich zur Entführung der Care-Chefin Margaret Hassan, die 2004 verschleppt und getötet worden war. Die Entführer suchten sich gezielt Opfer, die sich besonders für die Menschen im Land einsetzen.

Im Irak leben nach Auskunft des Auswärtigen Amtes etwa 100 Deutsche, die dort meist familiär gebunden sind. Sicherheitsexperten befürchten seit langem, dass auch Deutsche in den Fokus von Terroristen geraten könnten.

© SZ vom 30.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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