Bausparverträge:Verträge muss man nicht mehr halten

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Vor Jahren haben Wüstenrot und andere Bausparbanken Kunden mit hohen Zinsen gelockt. Jetzt wollen sie davon nichts mehr wissen. Das ist verständlich. Vollkommen unverständlich ist aber, dass der Bundesgerichtshof das unterstützt.

Von Heribert Prantl

Das Sichere ist nicht sicher; und so wie es ist, so bleibt es nicht. Dieser Satz galt bisher für die Krisengebiete der Welt. Seit dem Brexit weiß man, dass der Satz auch auf Europa zutrifft. Und seit Donald Trump gilt der Satz von der Unsicherheit des bisher Sicheren auch für die transatlantischen Beziehungen. Seit Neuestem gilt er nun gar noch an dem Ort, der für die Deutschen der Inbegriff von Sicherheit, Recht und Ordnung ist: in Karlsruhe.

Der Bundesgerichtshof hat mit einem Kernsatz des Rechts gebrochen. Dieser Satz heißt: Pacta sunt servanda/Verträge muss man halten. Die höchsten Zivilrichter haben das Risiko bei Bausparverträgen von den Kassen auf die Kunden abgewälzt - entgegen dem klaren Vertragswortlaut. Das Gericht hat mit seiner Entscheidung die objektiv Stärkeren, nämlich die Bausparkassen gestärkt, wohl um das Modell Bausparkasse nicht zu gefährden. Die Richter haben sich zum Gebrechlichkeitspfleger von Wüstenrot und Co. gemacht. Das ist nicht gut, das ist nicht ihre Aufgabe.

Pacta sunt servanda/Verträge muss man halten: Das ist nicht einfach nur ein Sprüchlein für Festreden; das ist ein rechtlicher Elementarsatz. Er gilt für Mieter und Vermieter, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, für Käufer und Verkäufer - er gilt auch für Bausparkassen und Bausparer. Gilt? Man muss seit Dienstag sagen: Er galt auch für Letztere. Die Richter haben den Satz geändert. Er lautet nun, dass eine Bausparkasse einen Vertrag nur so lange halten muss, wie ihr dieser Vertrag guttut.

Die Justiz: Gebrechlichkeitspfleger für Wüstenrot und Co.?

Der Bundesgerichtshof hat es gestattet, dass Bausparkassen langfristige Verträge einfach wieder abschütteln und ihren Altkunden einen Tritt geben dürfen - dann, wenn die Bausparverträge zu teuer werden, weil den Kunden hohe Zinsen garantiert wurden. Das Risiko, dass das allgemeine Zinsniveau sinkt, tragen nach dem Vertrag die Bausparkassen. Der Bundesgerichtshof meint nun, dass die Kassen dieses Risiko nachträglich den Kunden aufbürden dürfen. Das ist nicht nur verbraucherunfreundlich, das ist falsch: Wüstenrot und Co. haben vor fünfzehn Jahren die Bausparer mit üppigen Zinsen gelockt, mit Zinsen, von denen Sparer heute nur träumen können. Wer sich damals hat locken lassen und heute einen alten Vertrag mit den alten Hochzinsen hat, durfte sich freuen. Aber dann kamen Wüstenrot und Co. und sagten, dass man so nicht gewettet habe. Die Bausparkassen hätten doch nicht gewusst, dass die allgemeinen Zinsen so rapide sinken werden. Also haben die Kassen die alten Hochzins-Verträge gekündigt. Das ist wirtschaftlich verständlich. Nicht verständlich ist, dass die Richter dem nun zustimmen - denn das ökonomische Interesse der Kassen ist nicht automatisch stärker als das Bestands- und Vertragserfüllungsinteresse der Sparer.

Das Gericht hat mit juristischen Raffinessen das Recht der Verbraucher ausgehebelt. Das ist bedenklich. Denn es handelt sich um glasklare Verträge, in denen die hohen Zinsen nach dem objektiven Vertragstext zum Vertragsinhalt geworden waren. Wüstenrot und Co. hätten von vornherein vorsichtiger sein und, zum Beispiel, eine befristete Laufzeit für den Hochzins vereinbaren müssen.

Im ganz alten Recht, im römischen und im gemeinen Recht, galt die Ansicht, dass jedem Vertrag eine "clausula" innewohne, wonach dieser bei Veränderung von entscheidenden Umständen anzupassen sei. Das Bürgerliche Gesetzbuch hat diese Ansicht nicht übernommen. Nur ausnahmsweise soll ein klarer Vertrag bei Wegfall der Geschäftsgrundlage angepasst werden - im Fall etwa von Krieg und Katastrophen. Der Zinsverfall ist nun zwar misslich, eine kriegsähnliche Katastrophe ist er nicht. Es ist schon eher eine Katastrophe, dass die Richter den Bausparkassen ihr Risiko abnehmen - zulasten des Verbrauchers.

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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