Bauerntag in Berlin:Keine Schweinereien

Lesezeit: 2 min

Deutschlands Landwirte wollen mehr Geld, wenn bald über neue EU-Agrarsubventionen verhandelt wird. Tierschützer erwarten Zugeständnisse.

Von Markus Balser, Berlin

Gegen Massentierhaltung: Auf dem Bauerntag in Berlin protestieren Demonstranten in rosafarbenen Schweinekostümen. (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Grüne Strahler, rechts und links von der Bühne grüne Traktoren. Dahinter ein riesiger grüner Vorhang: Die Choreografie des Bauernverbands im Konferenzhotel Estrel ließ 650 Delegierte optisch schon mal erahnen, was sich am Mittwoch zum Start anbahnte. Bauernverbandschef Joachim Rukwied ging im Streit um mehr Ökologie in der Landwirtschaft in die Offensive. Von den Delegierten des Verbands verlangte Rukwied in seiner Eröffnungsrede echten Wandel. "Wir dürfen nicht nur sagen, dass wir bereit sind, etwas zu ändern, wir müssen es auch tun."

Lange hatte sich der Verband gegen diesen Wandel gewehrt. Doch die Debatte über den richtigen Kurs in der Landwirtschaft war in den vergangenen Wochen nochmals eskaliert. Zwischen Agrarbranche, Politik und Verbrauchern tut sich eine immer größere Kluft auf. Immer neue Nachrichten über umstrittene Praktiken drängen Landwirte in die Defensive. Das Kastrieren von Ferkeln ohne Betäubung, der massenhafte Einsatz von Antibiotika, der Einsatz des möglicherweise gesundheitsgefährdenden Pflanzengifts Glyphosat auf deutschen Feldern oder das sogenannte Kükenschreddern empören immer mehr Verbraucher. Umweltbehörden warnten vor steigenden Wasserpreisen wegen der Überdüngung vieler Böden, das Naturschutzamt vor einem beschleunigten Artensterben.

Für die Branche gilt diese Entfremdung als brisant. Denn in diesen Wochen beginnen in Europa die Verhandlungen über die nächste Periode der für sie existenziellen Agrarsubventionen ab dem Jahr 2020. Dem deutschen Bauernverband schweben höhere Zahlungen für die ländlichen Räume vor. Doch schon der Status quo scheint kaum zu halten zu sein. Wegen des Brexit schrumpfen die EU-Töpfe für Subventionen deutlich. Für die Funktionäre des Verbands ist klar: Auch künftig werden die milliardenschweren Subventionen nur dann weiter fließen und 50 Prozent der Einnahmen decken können, wenn damit mehr Tier- und Umweltschutz verbunden ist. "Wir müssen der Gesellschaft Angebote machen, sonst nimmt man uns nicht mehr ernst", sagt Rukwied. Zuletzt hatte sich der Verband allerdings noch vehement gegen strengere Regeln gegen die Überdüngung von Böden gewehrt.

Auch Verbraucher und Handel müssten Veränderungen finanzieren, findet Rukwied

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte im Streit zwischen den Umweltbehörden von Ministerin Barbara Hendricks (SPD) und den Landwirten auf dem Bauerntag vor Pauschalurteilen. Wo es schwarze Schafe gebe, müsse man das beim Namen nennen, sagte die Kanzlerin. "Aber die überwältigende Mehrheit der Bauern tut eine wirklich wichtige Arbeit für unser ganzes Land." Die Diskussion über mehr Umwelt-, Tier- und Klimaschutz in der Landwirtschaft sei allerdings nachvollziehbar. Die Landwirtschaft stehe vor großen Herausforderungen, so Merkel.

Wie weit die Bauern bereit wären zu gehen? Verbesserungen in der Tierhaltung müssten praktikabel sein, sagte Rukwied. "Alles andere würde zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland führen. Das wollen wir nicht." Auch Verbraucher und Handel müssten bereit sein, Veränderungen zu finanzieren. "Mehr Tierschutz kostet mehr Geld." Mehraufwendungen dürften nicht bei den Bauern bleiben.

Spekulationen über die Abschaffung des Landwirtschaftsministeriums nach der Wahl wies der Verband zurück. "Wir brauchen auch im nächsten Jahr ein eigenes Ministerium", sagte der Bauernpräsident. Man sei da offen für zusätzliche Bereiche, so Rukwied. "Außer vielleicht der Umweltpolitik."

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: