Bauern:Hitzeschlag

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Immerhin, für das Volksfest reicht's noch: Die Fruchtsäule auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart gilt als Wahrzeichen. (Foto: Daniel Naupold/dpa)

Der Sommer setzt den Bauern zu. Nach schwacher Ernte fordern sie Hilfe vom Staat, denn auch die Preise sind in fast allen Bereichen gefallen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Das Jahr ist mies, selbst in diesen Tagen. Für viele Bauern fällt der lang ersehnte Regen, aber auch das nicht richtig. "Es regnet, aber es hört nicht mehr auf zu regnen", sagt Joachim Rukwied, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes. "Das Jahr 2015 kann man als Extremjahr bezeichnen." Nach den jüngsten Zahlen des Verbandes heißt das: extrem schlechte Erträge, und das auch noch bei extrem niedrigen Preisen. Das ist ungewöhnlich.

Üblicherweise sorgen schwache Ernten zumindest für knappere Lebensmittel und steigende Preise. Nicht so in diesem Jahr. "Die Preise sind in fast allen Bereichen gefallen", berichtet Rukwied. "Die Lage ist extrem angespannt." Dahinter stehe ein schwacher Export und die gute Ernte von 2014, heißt es bei der Agrarlobby. So gebe es immer noch Lagerbestände aus dem Vorjahr, die auf den Markt kämen. Gleichzeitig leide die Branche nach wie vor unter russischen Sanktionen. Als Reaktion auf Wirtschaftssanktionen wegen der Ukraine-Krise lässt Russland keine Lebensmittel mehr aus der EU und den USA ins Land - ein traditionell wichtiger Exportmarkt fällt damit seit dem vorigen Jahr flach. Und nun auch noch dieses Wetter.

Während im äußersten Süden und Norden das Wetter halbwegs mitspielte, plagten die Höfe im großen Rest der Republik allesamt massive Trockenheit. Die Folge: Die Kartoffelernte fällt so schwach aus wie seit Jahren nicht mehr. Die Getreideernte sank nach vorläufigen Daten von 52 Millionen Tonnen im starken Vorjahr auf nunmehr 46,5 Millionen Tonnen. Der Rapsertrag je Hektar schrumpfte um 13 Prozent. Alles in allem habe die Ernte um elf Prozent unter dem Vorjahr gelegen, sagt Rukwied. "Ich hätte gern Positiveres berichtet, aber so ist es nun mal."

Zumal es, glaubt man den Landwirten, mit derlei schlechten Nachrichten noch nicht getan ist: Das Tierfutter wird knapp. Rukwied selbst, der in der Nähe von Heilbronn einen Hof betreibt, hat erst einmal Heu ernten können - vielerorts ist das Grünland mehr braun als grün. Schon jetzt zeichne sich eine miserable Mais- und Rübenernte ab, teilweise müsse der Silomais jetzt schon geerntet und in die Silos verfrachtet werden - ehe er vollends vertrocknet sei. Der heiße August setze auch dem als Futtermittel beliebten Körnermais zu. In Anbaugebieten wie der Rheinebene drohten Ausfälle zwischen 50 und 100 Prozent der Ernte, warnt der Bauernverband.

So pflanzt sich die schwache Ernte in den Ställen fort: Ist das Futter knapp, müssen Höfe mehr zukaufen. Dummerweise verdienen sie aber schlecht an Milch und Schweinefleisch. Die Preise dafür seien massiv unter denen des Vorjahres, beklagt der Verband. Insgesamt seien den Bauern bereits Erlöse von drei Milliarden Euro entgangen. Setze sich das so fort, könnte es bis Ende des Jahres doppelt so viel sein.

Schon hat auch Rukwied das Gespräch mit seinem französischen Amtskollegen gesucht, die Bauern verlangen Hilfe. "Wir fordern flankierende Maßnahmen und konkrete Beschlüsse", sagt er. Denkbar sei etwa die Stundung von Steuerschulden für die gebeutelten Landwirte, oder aber ein Bürgschaftsprogramm, um Kredite zu erleichtern. Die "Volatilität der Märkte und des Wetters" verlangten Mechanismen, um die Risiken für die Landwirte aufzufangen. Zudem hoffen die Bauern auf ein Treffen der EU-Agrarminister Anfang September, das sich ebenfalls der mauen Lage widmen soll. Nötig sei eine Exportinitiative für Lebensmittel aus der EU, so Rukwied.

Immerhin ein Gut aber könnte ganz ohne so eine Initiative auskommen: der hiesige Wein. "Das Wetter hat bisher dazu beigetragen, dass die Vorzeichen für den neuen Weinjahrgang erfreulich gut stehen", berichtet der Verband. Für eine valide Prognose sei es aber zu früh: hängt nun ganz vom Wetter ab.

© SZ vom 19.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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