Barbarischer Brauch:Erfolg im Kampf gegen Verstümmelung

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Ein US-Gericht hat einen Vater wegen Beschneidung der Tochter zu einer Haftstrafe verurteilt. Frauenorganisationen bezeichneten die Entscheidung von Georgia als Sieg, der für die ganze Welt Bedeutung habe.

Arne Perras

Den grausamen Schnitt müssen noch immer täglich Tausende Mädchen erleiden. Er zeichnet sie für immer und bereitet ihnen ein Leben lang höllische Qualen. Wenn die betroffenen Frauen gebären, sind die Komplikationen manchmal so groß, dass weder Mutter noch Kind überleben.

Dennoch bleibt die Verstümmelung weiblicher Genitalien im Kindesalter in vielen Gegenden der Welt sehr verbreitet, vor allem in Afrika, auf der Arabischen Halbinsel, und auch in manchen Gebieten Asiens. Etwa 130 Millionen Mädchen und Frauen sind betroffen. Versuche, die unmenschliche Praktik abzuschaffen, hatten bisher nur wenig Erfolg.

Hoffnung auf neuen Schub

Nun sorgt ein Urteil in den USA für Aufsehen, Menschenrechtsgruppen erhoffen sich davon einen neuen Schub im Kampf gegen die Verstümmelungen: Im Bundesstaat Georgia ist ein äthiopischer Einwanderer von einem Gericht zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Die Geschworenen sahen es als erwiesen an, dass der 31-jährige Mann seine damals zweijährige Tochter mit einer Schere grausam beschnitten hatte.

Die Frauenrechtsorganisation "Equality now", die von Prominenten wie der Schauspielerin Meryl Streep unterstützt wird, bezeichnete die Entscheidung von Georgia als Sieg, der für die ganze Welt Bedeutung habe.

Vorwurf des Kulturimperialismus'

Erfahrungen in vielen Ländern zeigen jedoch, wie mühsam es ist, die Verstümmelungen zu stoppen. Beispiel Sudan: Dort sind etwa 90 Prozent der Frauen beschnitten, und kaum etwas hat sich in den vergangenen Jahrzehnten geändert. Zwar hat die Afrikanische Union die Praxis offiziell geächtet, doch gerade ausländische Helfer stoßen schnell an ihre Grenzen.

Schon Versuche, über die Probleme aufzuklären, werden als arrogante Einmischung und als Kulturimperialismus aufgefasst. Erschwerend kommt in Ländern wie dem Sudan hinzu, dass die Zivilgesellschaft schwach ist und der Staat repressiv. Ein Dialog über die Gefahren der Beschneidung ist dort gar nicht möglich.

Aber auch in anderen, besser regierten Staaten wie Mali kommen aufgeklärte Geister oft nicht weit. Der frühere Präsident Malis und heutige Kommissionschef der Afrikanischen Union, Alpha Oumar Konaré, hatte einst versucht, ein Verbot in seinem Land durchzusetzen - doch er scheiterte.

Allein im westafrikanischen Benin hat es inzwischen einen bemerkenswerten Erfolg gegeben. Dort wurde die Beschneidung kürzlich offiziell abgeschafft. "Adieu l' excision" stand auf dem T-Shirt der Aktivisten zu lesen, die ihren Erfolg tanzend feierten. Beschneidung ade.

Fest verwurzelt in der Gesellschaft

Andernorts sind die Probleme geblieben, die Regierungen befassen sich kaum mit dem Thema. Und die Beschneidung ist als fester Ritus in vielen Gesellschaften noch so fest verwurzelt, dass es noch langer Aufklärung bedarf, um ihn abzuschaffen.

Vermutlich ist der grausame Brauch einst entstanden, weil die Männer damit Kontrolle und Macht über die Frauen festigen wollten. Noch heute hat sich der Glaube bewahrt, nichtbeschnittene Frauen seien liebestoll, ja gefährlich für jeden Mann.

Die Ärztin Mairo Mandara, die die Folgen der Beschneidung in Nigeria untersucht hat, will pseudokulturelle Rechtfertigungen aber nicht akzeptieren: "Die Praxis ist barbarisch, traumatisch und völlig entwürdigend", sagt sie. Doch Mediziner wie sie werden viel zu wenig gehört.

© SZ vom 3. November 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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