Auswärtiges Amt:Diplomaten im Übergang

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Weil keiner weiß, wer Nachfolger von Frank-Walter Steinmeier wird, wächst die Unsicherheit im Auswärtigen Amt - das der Minister auch mit seinem Personal geprägt hat. Doch wird diese Truppe auch unter einem neuen Chef oder einer Chefin weitermachen?

Von Stefan Braun, Berlin

Zum großen Finale hatte das Auswärtige Amt in den Weltsaal des Ministeriums geladen. Der musste es schon sein angesichts der Tatsache, dass John Kerry, laut Einladungskarte "Seine Exzellenz der Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika", mit dem Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet werden sollte. Auch wenn Kerry und Frank-Walter Steinmeier beim OSZE-Treffen am Donnerstag und Freitag in Hamburg noch einmal Seite an Seite auftreten werden: Die Würdigung von Berlin war außergewöhnlich und wurde zum Schlusspunkt in einer Beziehung, die wohl noch nie so eng war und bis auf Weiteres auch nicht mehr so eng sein wird.

Der scheidende US-Außenminister gilt inzwischen als "deutschester unter allen amerikanischen Außenministern". So ordnete es dieser Tage ein enger Mitarbeiter Steinmeiers ein. Kerry hatte in den vergangenen Jahren, gestützt von US-Präsident Barack Obama, in der amerikanischen Außenpolitik eine Linie verfolgt, die entgegen sonstiger Washington-Klischees nicht auf Militär und Waffen setzte, sondern auf Verhandlungen und Diplomatie. Und das selbst dann, als er - wie in den Gesprächen mit Moskau über Syrien - damit nicht mehr selbstbewusst, sondern schwach, ja hilflos wirkte.

Der lange Verzicht auf jegliche Form von Drohung wird zwar auch Narben und Kritik hinterlassen, weil Amerikaner und Deutsche damit in Syrien wenig bis nichts erreicht haben. Gleichwohl verband das beide; sie hielten ihre Linie auch, als in Washington viele zu den Waffen riefen oder Waffenlieferungen verlangten. Steinmeiers Lob war deshalb nur folgerichtig. Kerry sei ein "wahrer Freund", sagte er. Später beschrieb einer seiner Leute den Abend mit den Worten: "ein bisschen traurig, ein bisschen schön, ein bisschen wehmütig".

Steinmeier hat das Amt auch mit seinem Personal geprägt. Doch wird diese Truppe weitermachen?

Das passt nicht nur zum Abschied der beiden. Es passt auch zu jenem Zustand, der in Amerika zu den zentralen demokratischen Abläufen gehört, aber aktuell auch im Auswärtigen Amt seine Wirkung entfaltet. In den USA heißt die Zeit zwischen der Wahl und der Amtseinführung eines neuen Präsidenten "Transition". Das lässt sich mit "Zwischenzeit und Übergang" ganz gut übersetzen. Doch was in den USA eine Richtung hat, weil Donald Trump gewählt ist, fühlt sich unter Deutschlands Diplomaten derzeit vor allem wie ein Vakuum an. Alle wissen, dass Steinmeier am 12. Februar zum Bundespräsidenten gewählt werden wird. Aber niemand weiß, wer ihm nachfolgt.

Das verunsichert. Steinmeier hat das Haus mit seinem Personal geprägt. Als er im Dezember 2013 an die Spitze des Amtes zurückkehrte, besetzte er so gut wie alle zentralen Posten mit Diplomaten, die ihm schon früher als Vertraute gedient hatten. Die Staatssekretäre Stephan Steinlein und Markus Ederer, sein in diesem Amt besonders wichtiger Büroleiter Jens Plötner, später auch der politische Direktor Andreas Michaelis, dazu Planungschef Thomas Bagger und der neue Sprecher Martin Schäfer, die bald aufrückten - diese Gruppe hat den Kurs geprägt, ob es um die Ukraine ging, den Syrien-Krieg, den Nahostkonflikt oder den Umgang mit Russland und den USA. Viele kamen wegen Steinmeier.

Umso größer ist die Unsicherheit, was nach Steinmeiers Ausscheiden passieren wird. Alle aus dieser Truppe sind nach den Jahren an der Seite des Ministers einigermaßen erschöpft. Entsprechend offen ist, ob sie ihre Rolle auch unter einem neuen Minister noch lange ausüben werden. Dazu kommt: Egal, wer Chef wird - er oder sie wird das Amt fürs Erste nur auf Zeit führen. Es wird ja jemand mit SPD-Buch sein. Und das kann sich nach der Wahl nur dann fortsetzen, wenn die SPD Juniorpartner im Kabinett bleibt.

© SZ vom 08.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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