Wenn sich Politiker, Wissenschaftler und Vertreter der Zivilgesellschaft Anfang Dezember zur Weltklimakonferenz in Polen treffen, haben sie eine harte Nuss zu knacken: Sie wollen Wege erarbeiten, um das Pariser Klimaabkommen umzusetzen und die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dass das nicht einfach sein wird, ist allen Beteiligten klar. Selbst wenn alle derzeitigen nationalen Selbstverpflichtungen aus dem Klimaabkommen erfüllt werden, nehmen die weltweiten CO₂-Emissionen im Laufe des kommenden Jahrzehnts nicht ab, sie bleiben höchstens ungefähr gleich oder steigen sogar leicht. Mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel ist diese Entwicklung gravierend: Mit der aktuellen Emissionsrate wird von etwa 2030 an, vielleicht sogar früher, die Treibhausgasmenge in der Atmosphäre wahrscheinlich zu hoch sein, als dass man dieses Ziel halten könnte. Um das zu verhindern, müssten die globalen CO₂-Emissionen laut dem jüngsten Bericht des Weltklimarats bis 2030 etwa halbiert, bis 2050 auf null reduziert werden.
Auch wenn mit diesen Zahlen noch viele Unsicherheiten verbunden sind, ist eines inzwischen sehr deutlich: Um die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten, wäre ein weltweiter Wandel von beispiellosem Umfang in allen wichtigen Lebensbereichen wie Energie, Verkehr, Landwirtschaft und Konsum erforderlich. Doch die meisten Menschen - einschließlich der politisch Verantwortlichen - schrecken vor solch großen Veränderungen zurück. Man erkennt diese Starre auch in vielen anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Ernährungsumstellung. Dabei hätte für die meisten Menschen eine Reduzierung des Konsums von Fleisch und industriell verarbeiteter Lebensmittel positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Aber solche Argumente ziehen nicht. Auch mit den Maßnahmen gegen Luftverschmutzung, unter der weltweit Milliarden Menschen leiden, geht es entsprechend zögerlich voran. Dabei hätten mehr Zurückhaltung beim Fleischkonsum und Maßnahmen gegen Luftverschmutzung sogar eine doppelte Wirkung, da sie auch zum Klimaschutz beitragen würden. Wirklich angegangen werden sie trotzdem nicht. Vor diesem Hintergrund kann man sich vorstellen, wie schwierig es ist, zu weiteren Maßnahmen gegen viel abstraktere, scheinbar weit entfernte Gefahren wie den Klimawandel zu motivieren.
Angesichts dessen kann es verlockend sein, nach einem rettenden Wundermittel oder zumindest einem "Plan B" fürs Klima zu suchen. Ein solcher "Plan B" wäre etwa die Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre, beispielsweise durch massive Aufforstung oder durch die Kombination von Bioenergie mit CCS, wobei das sogenannte Carbon Capture and Storage die Abscheidung und unterirdische Speicherung von CO₂ ermöglichen könnte. Diese beiden Ansätze spielen in vielen Klimaszenarien schon eine prominente Rolle, zum Beispiel in mehr als 90 Prozent der Zwei-Grad-Szenarien, die der Weltklimarat 2013 untersucht hat. Andere Maßnahmen zielen auf eine direkte Abkühlung des Planeten, etwa indem Partikel in die Atmosphäre eingebracht werden, die einen Teil des Sonnenlichts in den Weltraum zurückreflektieren oder Wolken so beeinflussen sollen, dass diese die Erdoberfläche stärker abkühlen.
Solche Abkühlungsmaßnahmen werden von einigen als ein "Plan C", von anderen als unverantwortlich und keine realistische Option angesehen. Zweifelsohne würden sie viele Risiken mit sich bringen, nicht nur für das System Erde, sondern auch für Gesellschaft und Politik. Zurzeit befindet sich keine dieser Ideen für ein Klima-Geoengineering - weder die CO₂-Entfernung noch planetare Abkühlungsmaßnahmen - in einem Entwicklungsstadium, das der Herausforderung einer deutlichen Begrenzung des Klimawandels auch nur nahe käme.
Um sowohl die mögliche zukünftige Klimawirksamkeit als auch die vielen Unsicherheiten und Risiken besser zu verstehen, werden Maßnahmen des Klima-Geoengineerings mit theoretischen, Labor- und Feldstudien sowie mit Computersimulationen erforscht. Die Forscher hoffen, politische Entscheidungen mit einer besseren Informationsgrundlage unterstützen zu können. Laut einer Studie, die ich vor Kurzem gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam veröffentlicht habe, könnten manche Klima-Geoengineering-Maßnahmen, vor allem zur CO₂-Entfernung, tatsächlich eine wichtige Rolle spielen - jedoch erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. So lange würde es dauern, die Technologien zu untersuchen, zu testen und schließlich in einem klimawirksamen Maßstab zu entwickeln. Zeitaufwendig ist auch die Ausarbeitung internationaler Abkommen und Regulierungsmechanismen, die mögliche Konflikte infolge dieser Technologien wirksam eindämmen müssten.
Daraus folgt: Man darf sich nicht auf Klima-Geoengineering verlassen, um die Erderwärmung in den nächsten Jahrzehnten deutlich zu begrenzen - dem Zeitraum, der für die Temperaturziele aus dem Pariser Klimaabkommen gilt. Das ist eine schwer verdauliche Botschaft für die Politik und für die Klimaverhandlungen, denn dort hält man sich die Optionen lieber offen und betont gerne, dass die Ziele noch erreichbar seien - leider ohne sich wirklich darüber im Klaren zu sein, wie sie umgesetzt werden könnten.
Aber auch wenn es extrem schwierig wird oder sich gar als unerreichbar herausstellt, die globale Erderwärmung unter 1,5 oder zumindest 2 Grad zu halten, sollten wir nicht dem Fatalismus verfallen. Jede zusätzliche Erwärmung um ein Zehntelgrad, die wir vermeiden können, macht einen Unterschied, vor allem für die am stärksten Betroffenen, etwa die Bewohner der Tropen, der Arktis, von kleinen Inselstaaten und Küstenregionen. Veränderungen in Gesellschaft und Industrie proaktiv statt reaktiv zu vollziehen, würde es der Welt erlauben, von den vielen positiven Nebeneffekten des Klimaschutzes zu profitieren. Dazu zählen eine größere Unabhängigkeit von Energieimporten, indem diese durch regional verteilte erneuerbare Energien ersetzt werden, sowie ein verbessertes und weniger luftverschmutzendes Mobilitätssystem, das ohne fossile Brennstoffe auskommt. Die für einen effektiven Klimaschutz benötigten Transformationen müssen auf der globalen Ebene stattfinden und politisch gesteuert werden. Trotzdem kann jeder Einzelne von uns diese Bemühungen mittragen. Dafür gilt es, gegenwärtige gesellschaftliche Gegenströmungen zu überwinden und das eigene Leben, zum Beispiel den Konsum oder die Fortbewegung, zu verändern. Dies kann sowohl uns selbst als auch dem Klima nutzen.