Außenansicht:TV-Spiel ohne Grenzen

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Der Profifußball kassiert mit dem Verkauf der Fernsehrechte viele Milliarden Euro - auch auf Kosten der Zuschauer. Die Wettbewerbshüter sollten ein Auge auf die Branche werfen. Warum nimmt sich das Bundeskartellamt nicht die Champions League vor?

Von Achim Wambach

Nächste Woche rollt der Ball wieder im deutschen Profifußball. Die zweite Liga hat bereits begonnen, und die Absteiger der vergangenen Saison, der 1. FC Köln sowie der HSV, werden alles daran setzen, in die erste Liga zurückzukehren. Dort werden alle versuchen zu verhindern, dass die Bayern zum siebten Mal nacheinander den Meistertitel gewinnen. Die Fans hoffen auf einen spannenden Wettbewerb. Wenn es allerdings um die Vermarktung geht, spielt der Wettbewerb seltsamerweise keine Rolle mehr.

Die Fernsehrechte an diesen Spielen vermarktet nur einer - die Deutsche Fußball Liga (DFL). Und das ist ein Milliardengeschäft. Für die vier Spielzeiten 2017/18 bis 2020/21 erhält die DFL 4,64 Milliarden Euro, für jede Spielzeit also 1,16 Milliarden Euro. Ein Rekordwert nach rund 628 Millionen Euro in den Spielzeiten davor. Damit liegt die Bundesliga in der Saison 2018/19 bei den Fernseheinnahmen der großen Ligen auf Rang zwei, hinter der englischen Premier League mit ihren gut 2,3 Milliarden Euro. Auch die anderen drei Topligen Europas, die französische Ligue 1, die spanische Primera División und die italienische Serie A, werden in den kommenden Spielzeiten die Milliardenmarke bei den jährlichen TV-Einnahmen knacken. Fußball ist den TV-Sendern viel wert. Durchaus verständlich, denn das Bezahlfernsehen boomt, und im Free-TV sind hohe Zuschauerquoten auch zukünftig wieder zu erwarten, und damit lukrative Werbeplätze zur Sendezeit.

Die TV-Gelder gehen nach einem am Tabellenerfolg orientierten Schlüssel zwar größtenteils wieder an die Klubs zurück und stellen die Haupteinnahmequelle der deutschen Fußball-Profivereine dar. Hohe Einnahmen sind daher auch im Interesse der Vereine. Aus wettbewerblicher Perspektive der Klubs ist es aber keine Selbstverständlichkeit, dass die TV-Vermarktung zentral organisiert wird. Alle Bundesligavereine haben dennoch zugestimmt, dass die DFL diese Vermarktung übernimmt. Wo liegen da die Unterschiede zu einem Kartell? Als Argument für die gemeinsame TV-Vermarktung wird häufig die Solidarität zwischen großen und kleinen Klubs angeführt. Allerdings ist nicht einzusehen, warum ein Finanzausgleich nicht anderweitig organisiert wird.

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Spanien. Dort haben bis vor zwei Jahren die Vereine die Fernsehrechte an den eigenen Spielen selber verkauft, bis von der Regierung verordnet wurde, dies gemeinsam zu tun. Expliziter Beweggrund dafür war, dass auf diesem Weg die Einnahmen erhöht werden sollten. Ein seltsamer Vorgang. Vermutlich wären auch beispielsweise die Bierbrauer froh, wenn der Gesetzgeber ihnen eine solche Möglichkeit gäbe, gemeinsam mehr Geld einzutreiben.

Die Rechte an der Übertragung von Fußballspielen in Deutschland sind juristisch nicht klar definiert. Deswegen ist es schwer zu sagen, ob sich hier die Vereine zusammentun, also eine Absprache treffen - oder ob diese Rechte sowieso bei der DFL liegen, weil sie den Spielbetrieb organisiert. Vermutlich trifft von beidem etwas zu. Und beides entspricht möglicherweise nicht dem fairen Wettbewerbsgedanken. Entweder handelt es sich um ein Kartell der Vereine, oder aber die DFL hat eine marktbeherrschende Stellung, die sie missbräuchlich ausnutzen könnte. Bei allen Wettbewerbsbedenken mit Blick auf die zentrale Vermarktung kann das gemeinsame Vorgehen angesichts von Effizienzvorteilen, wie etwa einer verbesserten Übertragungsqualität, durchaus aber auch der Einzelvermarktung vorgezogen werden.

In der Vergangenheit sind die europäischen Kartellbehörden daher pragmatisch vorgegangen und haben laufende Kartellverfahren, zum Beispiel in Großbritannien oder Italien, im Gegenzug für strenge Auflagen bei der Ausgestaltung der Zentralvermarktungsmodelle eingestellt.

In Deutschland achtet das Bundeskartellamt darauf, dass das gemeinsame Vorgehen bei der Vermarktung der Medienrechte nicht zu schädlich für Bieter und Zuschauer ist. Bei der Vergabe von TV-Übertragungsrechten für die Bundesliga im Jahr 2008 hat das Kartellamt die zeitnahe Free-TV-Highlight-Berichterstattung vor 20 Uhr durchgesetzt und damit die "Sportschau" gerettet. 2012 wurde die DFL dazu verpflichtet, auch ein Angebot attraktiver Inhalte für kleine Bieter zu schaffen. Und schließlich, 2016, wurde das Alleinerwerbsverbot für die Liveübertragungen durchgesetzt - seitdem gibt es neben Sky einen zweiten Anbieter, nämlich Eurosport, bei dem man nun die Freitagsspiele live verfolgen kann.

Bei der Vermarktung der Spiele der Bundesliga wird gerne das Argument vorgebracht, dass die Liga auf hohe Einnahmen setzen müsse, um im europäischen Wettbewerb mithalten zu können. Das mag so sein. Umso wichtiger wäre es, wenn die EU-Kommission einheitliche Regeln in ganz Europa festlegen würde.

Das Argument, dass Einnahmen im Wettbewerb möglichst hoch sein müssen, zieht aber nicht beim nächsten Problemfall - der Champions League. Diese Spiele werden vom europäischen Dachverband Uefa zentral vermarktet. Seit die EU-Kommission dies 2003 überprüfte, hat sich nie wieder eine Wettbewerbsbehörde mit der Vergabe der Fernsehrechte befasst. Das hat zur Folge, dass von der nächsten Saison an bis vorerst zur Spielzeit 2020/21 in Deutschland erstmalig die Spiele nicht mehr im deutschen Free-TV zu sehen sein werden, sondern nur noch über Pay-TV. Eine Ausnahme wird nur gemacht, wenn eine deutsche Mannschaft das Finale erreichen sollte. Dem deutschen Fan hilft also nichts außer Daumendrücken.

Auch bei der Champions League wäre es Aufgabe des Bundeskartellamts, diese Vergabe genauer unter die Lupe zu nehmen, zumindest solange die EU-Kommission nicht aktiv wird. Selbst wenn diese Rechte im Ausland vermarktet werden (die Uefa hat ihren Sitz in Nyon in der Schweiz) - da das Ergebnis in Deutschland relevant ist, ist der Vorgang auch ein Fall für die deutsche Wettbewerbsbehörde. Genau das hat die Monopolkommission nun in ihrem aktuellen Gutachten angemahnt.

Und wo wir dabei sind: Die gerade beendete Fußball-WM wurde auch zentral vermarktet. Die Fifa hat damit Schätzungen zufolge rund drei Milliarden US-Dollar verdient. Bei der WM 2006 in Deutschland waren es mit 1,3 Milliarden Euro noch weniger als die Hälfte. Ist auch dies die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung? Spätestens wenn die Fifa dazu übergeht, die Einnahmen noch weiter zu steigern, indem sie die Spiele über das Bezahlfernsehen vermarktet, wird es auch hier Zeit, dass die Wettbewerbsbehörden einschreiten.

© SZ vom 17.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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