Außenansicht:Trump ist klimablind

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Anders Levermann, 45, ist leitender Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Physik-Professor an der Universität Potsdam sowie an der Columbia University, New York. (Foto: ZUMA Press/imago)

Der US-Präsident kann viele Gesetze ändern, die Naturgesetze aber nicht: Die Erderwärmung führt dazu, dass in China verstärkt Flüsse über die Ufer treten und Fabriken überschwemmen. Wenn die Produktion dort stillsteht, trifft das auch die US-Wirtschaft hart.

Von Anders Levermann

Wenn in China Flüsse über die Ufer treten, schwappen die Schäden bis in die USA. Das bringt die Globalisierung mit sich: Die ökonomischen Folgen von örtlichen Wetterextremen breiten sich über die weltumspannenden Handelsbeziehungen aus. Ausgerechnet Amerika treffen diese indirekten Schäden besonders stark, wie neue Berechnungen zeigen. Und der Handelskrieg von US-Präsident Donald Trump gegen China macht die Folgen des globalen Klimawandels für die USA voraussichtlich nur noch schlimmer.

Trump glaubt nicht an den Klimawandel, aber der findet trotzdem statt - und das hat nicht nur Folgen für die viel verspotteten Eisbären und Korallen, sondern für die Weltwirtschaft und letztlich für unseren Geldbeutel. Und da wird es ernst.

Die Treibhausgase aus dem Verfeuern fossiler Brennstoffe erhöhen die Temperatur unseres Planeten. Das ist fundamentale Physik. Ebenso dies: Eine wärmere Atmosphäre führt zu mehr Verdunstung, zu mehr Feuchtigkeit in der Luft, und damit zu mehr Regen. Etwas weniger einfach zu verstehen, aber ebenso sicher ist, dass es nicht überall etwas mehr Plätscherregen gibt, sondern öfter Starkregen niedergeht, der verheerende Überschwemmungen auslöst. Die wissenschaftliche Grundlage hierfür ist das nach seinen Entdeckern benannte Clausius-Clapeyron-Gesetz von 1843; die Physik galt schon damals, und sie wird auch lange nach Trump noch gelten. Trump kann viele Gesetze ändern, die Naturgesetze aber nicht.

Extremwetter verteilt sich ungleich. In den kommenden 20 Jahren - für diesen Zeitraum ist die Entwicklung durch das von uns Menschen bereits heute in die Atmosphäre geblasene CO₂ schon festgelegt, die Zukunft danach können wir noch verändern - werden Fluten in Chinas Flüssen stark zunehmen. Das hat etwas mit den lokalen Wasserkreisläufen zu tun, entscheidend für die Weltwirtschaft ist aber: Unternehmen müssen ihre Produktion unterbrechen, wenn ihre Maschinen unter Wasser stehen. Das ist im internationalen Wettbewerb aber kein Grund zur Schadenfreude. Denn die ökonomischen Schäden bleiben nicht in China.

China ist der größte Exporteur von Gütern in die USA und nach Europa. Es geht keineswegs nur um T-Shirts und Handys für die Konsumenten, sondern auch um Vorprodukte oder Teile für die Industrieunternehmen im Westen. Wir sind abhängig von Asien, und Asien von uns. Als 2011 Thailand nach heftigen Regenfällen unter Überschwemmungen litt, gab es als direkte Folge davon etwas später in Europa und auch in den USA so gut wie keine Festplatten für Computer mehr zu kaufen. Dies ist ein Beispiel für das kleine Thailand. Bei der Wirtschaftsmacht Chinas wären die Folgen ungleich größer.

Statt die Importe aus Fernost drücken zu wollen, müssten die USA ihre Exporte vergrößern

Seit Jahrzehnten funktioniert die globale Produktion nach dem "Just-In-Time"-Prinzip. Lager sind bei den Lieferketten-Managern verpönt, in ihnen liegt totes Kapital. Doch wenn die Industrie Extremwetterereignisse nicht in ihre Strategien einplant, dann wird sie davon überrascht. Diese Überraschung ist das Problem. Mit steigenden Temperaturen müssen die Ersparnisse einer solchen Strategie mit dem Risiko von Produktionsausfällen durch wetterbedingte Unterbrechung der Lieferketten gegengerechnet werden. Natürlich kann man sich dagegen versichern, aber die Versicherungen sind sich des Klimawandels besser bewusst als viele andere Unternehmen. Sie passen ihre Preise an.

Teuer wird es also auf jeden Fall, ob durch einen Flutschaden oder lieferbedingten Produktionsausfall oder wegen steigender Versicherungspreise oder durch höhere Preise auf dem Weltmarkt, wenn das Angebot im Verhältnis zur Nachfrage knapper wird. Das alles gab es in der Vergangenheit zwar auch schon, aber der Klimawandel erhöht die Risiken beträchtlich. Das wirtschaftliche Überschwemmungsrisiko steigt in China in den nächsten Jahren um mehr als 80 Prozent. Das kostet auf Dauer Milliarden. Und immer mehr, je länger wir einfach nur abwarten.

Das Problem der USA ist ihre krass unausgewogene Handelsbilanz mit China. Ohne grundlegende Änderungen in den Wirtschaftsbeziehungen werden die Vereinigten Staaten teure Klimaschäden importieren. Mit dem Handelsnetz von vor zehn Jahren würde es Europa genauso gehen, das zeigen unsere Berechnungen. Aber die EU hat das Verhältnis von Importen und Exporten mit China weitgehend ausgeglichen. Für ein einzelnes Unternehmen in Europa mag die Zunahme von Fluten in China trotzdem ein Problem sein, wenn das Extremwetter nämlich gerade seine Zulieferer trifft. Aber in der Summe, volkswirtschaftlich, kann Europa die Schäden in der Handelskette ausgleichen, die in Stuttgart oder Lyon entstehen, wenn in China die Produktion ausfällt: In diesem Fall werden die fehlenden Güter einfach von Europa nach China exportiert. So gesehen ist ein Klimaschaden in China immer auch eine Chance für jene, die mit dem Land bereits im intensiven, aber eben beidseitigen Warenaustausch stehen.

Wenn irgendwo eine Produktionslücke entsteht, versuchen andere Akteure am Weltmarkt diese zu füllen. Das geht nicht immer schnell genug, wenn etwa Fabriken zum Füllen der Lücke nicht bloß ihre Produktion erhöhen sondern ganz neu gebaut werden müssen. Aber unsere Untersuchung zeigt, dass Länder wie Indien von der Zunahme der Flussfluten in China sogar profitieren können, wenn sie in Produktionslücken hineinstoßen.

Trump hat recht, wenn er die unausgeglichene Handelsbilanz mit China beklagt. Aber seine Strategie heißt Isolationismus - und das führt in die Irre. Statt die Importe aus Fernost drücken zu wollen, müsste er die Exporte dorthin vergrößern. Mehr Handel statt weniger kann Klimarisiken besser verteilen. Auf sich allein gestellt, würden die Amerikaner zwar nicht mehr so stark unter den Flussfluten in China leiden; aber dafür würden Überschwemmungen durch stärkere Hurrikans in Kombination mit dem steigenden Meeresspiegel umso schwerer wiegen. Denn auch dies trifft die örtliche Wirtschaft. Handel kann helfen, die entstehenden Produktionsausfälle auszugleichen.

Was kann man tun? China muss sich anpassen, also etwa das Flussmanagement ausbauen. Die Unternehmen weltweit müssen ihre Lieferbeziehungen wetterfest machen, also viele statt wenige Zulieferer haben oder ihre Lager füllen. Entscheidend ist aber, ausgeglichene Handelsbilanzen zu erreichen. Gegen eine weitere Zunahme des Klimastresses muss die Erderwärmung klar begrenzt werden - das Verfeuern von Kohle und Öl muss aufhören. Wir brauchen Klimarealismus statt Nationalchauvinismus.

© SZ vom 29.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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