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Schluss mit dem Hype um "Elite-Unis". Bei der Exzellenzinitiative kommt es auf Breite an.

Von Joybrato Mukherjee

Attraktiver, leistungsfähiger, sichtbarer: Für die deutsche Wissenschaft sind die vergangenen zehn Jahre seit Beginn der Exzellenzinitiative eine Erfolgsgeschichte gewesen. Unsere Universitäten gelten international als Garanten für exzellente Forschung, und das unabhängig von ihrer Größe oder ihrem Standort. Der Blick auf die Deutschlandkarte mit den 44 geförderten Universitäten unterschiedlicher Größe und mit sehr verschiedenen Profilen spricht für sich.

Jetzt steht eine kleine Zäsur bevor, 2017 läuft die zweite Runde der Exzellenzinitiative aus. Seit den letzten Grundsatzbeschlüssen von Bund und Ländern ist klar, dass exzellente Forschung an deutschen Universitäten auch weiterhin mit mehreren Milliarden Euro gefördert werden soll. Wie die neue, die nächste Exzellenzinitiative am Ende aussehen wird, ist allerdings noch völlig offen - auch weil die bisherigen drei Förderlinien (Graduiertenschulen, Exzellenzcluster, Zukunftskonzepte) derzeit erst evaluiert werden und man auf die Ergebnisse wohl noch bis Anfang kommenden Jahres warten muss.

Unabhängig davon ist die Meinungsbildung in Politik und Wissenschaft bereits in vollem Gange, und besonders laut sind derzeit die Stimmen, die eine "Champions League" einiger weniger, vermeintlich systemrelevanter Universitäten fordern. Dabei wird gern das Vorbild USA mit den dortigen Elite-Universitäten bemüht - ein Vergleich, der in die Irre führt. Längst wird auch international wahrgenommen, dass die Stärke des deutschen Wissenschaftssystems ganz woanders liegt, nämlich in der Breite. Exzellente Forschung in Deutschland findet nicht nur an wenigen Einrichtungen an wenigen Orten statt, sondern je nach Fächerzone und Forschungsgebiet an sehr vielen verschiedenen Institutionen in der Republik.

In Zukunft muss daher weiter die Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Gesamtsystems im Vordergrund stehen. Mehr noch: Die Exzellenzinitiative 3.0 sollte - stärker noch als in den vorangegangenen beiden Runden - die weitere Differenzierung des Hochschulsystems in der Breite sinnvoll befördern, nicht aber eine Hierarchisierung zwischen wenigen Geförderten an der Spitze und einem wie auch immer definierten Rest verfestigen. Diese systemische Herangehensweise deckt sich mit der internationalen Bewertung der Stärken des deutschen Wissenschaftssystems und den Erfolgen der bisherigen Exzellenzinitiative.

Nötig ist weniger die Förderung einzelner Universitäten und mehr die Stärkung von Standorten

Das alleinige Recht der Universitäten, Anträge in der Exzellenzinitiative zu stellen, hat ihre Funktion als Herzstück des Wissenschaftssystems nachhaltig gestärkt. Das gilt nicht zuletzt mit Blick auf die außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Der Erfolg vieler Universitäten, insbesondere bei Exzellenzclustern und Zukunftskonzepten, beruht auf einer institutionenübergreifenden Standortentwicklung mit universitären Kernen und einer engen Kooperation mit weiteren Forschungseinrichtungen in der Region. Beispielhaft genannt seien hier das seit 2006 geförderte Exzellenzcluster "Cardio-Pulmonary System" der Universitäten Frankfurt und Gießen und des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung Bad Nauheim sowie das seit 2012 geförderte Zukunftskonzept der TU Dresden mit dem Aktionsfeld "Dresden Concept" (einem lokalen Verbund mit außeruniversitären Forschungs- und Kultureinrichtungen). Die Erfolgsdynamik der regionalen Verbundbildung sollte vor dem Hintergrund eines härter werdenden nationalen und internationalen Wettbewerbs auch nach 2017 gesichert und ausgebaut werden. Wichtig wäre es, auch die forschungsintensiven Bereiche von Fachhochschulen beziehungsweise Hochschulen für angewandte Wissenschaften als Partner einzubeziehen.

Der enorme Erfolg der Exzellenzinitiative beruht auf dem unbedingten Primat der wissenschaftlichen Qualität - sichergestellt durch erstklassige internationale Gutachter. Dieses Ziel sollte auch für die Exzellenzinitiative 3.0 oberste Verpflichtung sein. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Förderung von Spitzenforschung unter keinen Umständen vermengt werden darf mit anderen wichtigen Aufgaben der Wissenschaftspolitik. Dazu zählt beispielsweise die planbare und frühzeitige Absicherung akademischer Karrierepfade. Dass Bund und Länder den wissenschaftlichen Nachwuchs in den kommenden Jahren mit einer Milliarde Euro fördern wollen - hoffentlich unabhängig vom Thema Exzellenz - ist deshalb sehr zu begrüßen. Das Primat der wissenschaftlichen Qualität impliziert auch, dass geförderte Themen und Standorte sich in regelmäßigen Abständen einer wissenschaftlichen Evaluation stellen müssen. Das ist Ansporn und Legitimation zugleich - nur so kann in der Spitzenforschung die Förderdynamik erhalten bleiben.

Im Lichte dieser Überlegungen zeichnen sich erste Konturen für eine sinnvolle Exzellenzinitiative 3.0 ab. So sollte das Gros der Fördermittel vorrangig zwei Zielen dienen.

Erstens sollte durchaus die Förderung von Spitzenforschungsgebieten weiterhin einen Schwerpunkt bilden. Das bisherige Format der Exzellenzcluster hat sich mehr als bewährt und sollte fortgeführt werden. Wichtig wäre dabei eine höhere Flexibilität, was die Größe der Cluster und die Fördersummen angeht. Insbesondere mit Blick auf geisteswissenschaftliche Fächer erscheint eine Öffnung auch für kleinere Gruppen, gegebenenfalls auch mit niedrigeren Förderbudgets, sinnvoll. Es lohnt sich auch, stärkere Anreize für eine institutionenübergreifende Zusammenarbeit zu setzen, etwa mit Blick auf kleine oder mittelgroße Universitäten oder auch externe, eigenständige Forschungseinrichtungen. Davon profitieren alle.

Zum anderen aber muss es um die Förderung von Standorten gehen. Die bisherige Förderlinie der Zukunftskonzepte ("Elite-Universitäten") sollte man dazu nicht einfach fortsetzen, sondern weiterentwickeln. Hierbei weist aktuell der Wissenschaftsrat mit seinen Empfehlungen zur regionalen Verbundbildung einen Weg: Es sollte weniger um die Förderung einzelner Universitäten gehen, sondern mehr um eine Förderung ganzer Verbünde mit einem oder mehreren universitären Kernen. Das ist eine Chance für große Metropolregionen wie auch für mittelgroße Standorte.

Die Aufgabe der kommenden Monate wird es sein, diese Konturen weiter zu schärfen. Dabei sollten alle Verantwortlichen eines im Blick behalten: Die Forschungs- und Innovationskraft in der Breite, die hohe Qualität in allen Teilsystemen und die arbeitsteilige Aufstellung sind Alleinstellungsmerkmale des deutschen Wissenschaftssystems, die es zu stärken gilt.

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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