Außenansicht:Klimapartner China

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Caio Koch-Weser, 72, ist Vorsitzender der European Climate Foundation. Zuvor war er unter anderem Vice Chair der Deutschen Bank und Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Foto: (Foto: privat)

Die Volksrepublik hat ein hohes Eigeninteresse an einer globalen Klimapolitik. Das sollte Deutschland nutzen

Von Caio Koch-Weser

Während sich die amerikanische Regierung unter Donald Trump vom Klimaschutz abwendet, steht China bereit, um bei dem Thema eine internationale Führungsrolle zu übernehmen. Bereits 2016 hatte die Volksrepublik ihre Präsidentschaft in der Gruppe der großen Industrie- und Schwellenländer (G 20) genutzt, um den Klimawandel zum zentralen Thema zu machen. Jetzt hat Deutschland die G-20-Präsidentschaft übernommen und kann dort weitermachen.

Einem grenzüberschreitenden Problem wie dem Klimawandel kann man nur durch internationale Zusammenarbeit - wie im Forum der G 20 - begegnen. Das haben China und Deutschland gleichermaßen erkannt. Kann China zum verlässlichen Partner einer globalen Energiewende an der Seite Deutschlands werden? Vieles spricht dafür: China verfolgt bereits seit einigen Jahren systematisch den Übergang zu einer klimafreundlichen Gesellschaft. Klimaschutz ist für das Land nicht nur ein Mittel, um die massive Luftverschmutzung in seinen Metropolen zu bekämpfen, die jährlich mehr als eine Million Menschen das Leben kostet. Der Übergang zu einer klimafreundlichen Gesellschaft wird auch als Chance gesehen, um neue Märkte zu erschließen. Besonders deutlich im Energiesektor: Allein im vorigen Jahr haben chinesische Konzerne laut dem amerikanischen Thinktank IEEFA über 32 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien im Ausland investiert. Zu den Milliarden-Deals gehörten der Kauf des niedersächsischen Konzerns EEW durch Beijing Enterprises und die Übernahme des Nordseewindparks Meerwind durch China Three Gorges.

Auch innerhalb seiner Landesgrenzen investiert China mehr als alle anderen Länder in erneuerbare Energien: rund 103 Milliarden Dollar allein 2015. Im Januar hat die chinesische Energiebehörde mitgeteilt, in den nächsten vier Jahren umgerechnet mehr als 340 Milliarden Euro in Energieformen jenseits der Kohle investieren zu wollen. Zudem will China in diesem Jahr den Emissionshandel seiner sieben Pilotprovinzen landesweit einführen. Als erstes Schwellenland mit einem Emissionshandelssystem wird es zum Vorreiter für andere aufstrebende Nationen.

Ein Ziel ist es, weltweit Klimarisiken in den Bilanzen auszuweisen

Das bleibt nicht ohne Folgen für die etablierte Wirtschaft. Branchen mit hohen Treibhausgasemissionen werden die Verlierer sein. Der Wertverlust des chinesischen Kohlesektors beispielsweise könnte sich laut der Oxford Smith School auf rund 450 bis 1 000 Milliarden Dollar belaufen - das entspräche 4,1 bis 9,5 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts von 2015. Welche Risiken sich daraus für die Stabilität des Wirtschafts- und Finanzsystems ergeben, ist bisher nicht abzusehen und ein Fall für die Aufsichtsbehörden.

Mit diesem Problem steht China nicht alleine da. Um die globale Erwärmung entsprechend dem Pariser Klimaschutzabkommen auf deutlich unter zwei Grad Celsius einzudämmen, dürfen nach Berechnungen des UCL Institute for Sustainable Resources weltweit bis 2050 ein Drittel aller Ölreserven, die Hälfte der Gasreserven sowie mehr als 80 Prozent der Kohlereserven nicht mehr gefördert werden. Es bestünde somit das Risiko eines weitverbreiteten, abrupten Verfalls der Vermögenswerte, wenn die bereits begonnene Umstellung auf ein klimafreundliches Wirtschafts- und Finanzsystem nicht vorausschauend gesteuert würde.

Somit ist es nur konsequent, dass China den Klimawandel international zu einem Schwerpunktthema macht. Unter dem chinesischen G-20-Vorsitz wurde im letzten Jahr die sogenannte Green Finance Study Group ins Leben gerufen. Diese befasst sich unter anderem mit den finanziellen Risiken des Klimawandels und der Umstellung auf eine klimafreundliche Wirtschaft.

Eine unternehmensgeführte Taskforce entwirft unter Vorsitz des früheren New Yorker Bürgermeisters Michael Bloomberg im Auftrag der G 20 derzeit Empfehlungen, um Unternehmensberichte transparenter zu machen. Das betrifft insbesondere den Umgang mit Risiken bei der Anpassung von Geschäftsmodellen an eine Zwei-Grad-Welt. Zu der Taskforce gehören unter anderem die Axa-Gruppe, JP Morgan Chase, Energie Baden-Württemberg (EnBW) und Daimler. Ein besseres Risikoverständnis kann die globale Energiewende beschleunigen.

Die Bereitschaft Chinas, sich international für den Klimaschutz einzusetzen, steht im Einklang mit der Politik im Inneren. Die Rede des chinesischen Präsidenten Xi Jinping kurz nach der US-Wahl in Davos beim Weltwirtschaftsforum gilt als wegweisend. Die Zurückhaltung der neuen Regierung in Washington gegenüber internationalen Vereinbarungen, etwa bei Handel oder Klimaschutz, eröffnet China neuen Handlungsspielraum. An der Seite Chinas könnte Deutschland für mehr multilaterale Zusammenarbeit werben.

China ist im vergangenen Jahr zum wichtigsten Handelspartner Deutschlands aufgestiegen, während die USA von Platz eins auf Platz drei gerutscht sind. Die Ankündigung Chinas, eine Quote für Elektroautos einzuführen, sowie europäische Strafzölle auf chinesische PV-Module erzeugen Spannungen - zeigen aber, wie groß die Abhängigkeiten sind. Erst kürzlich vereinbarten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der chinesische Premierminister Li Keqiang den schnellen Abschluss der Verhandlungen über ein europäisch-chinesisches Investitionsabkommen, die seit 2014 nur schleppend vorangekommen sind. Es ist erklärtes Ziel der Bundesregierung, China stärker in internationale Verantwortungssysteme einzubinden. China wiederum will gemeinsam mit Deutschland Signale der Stabilität an die globalen Märkte senden. Die diesjährige Zusammenkunft der G 20 unter deutschem Vorsitz ist dafür eine wichtige Gelegenheit. Das G-20-Außenministertreffen nutzten Sigmar Gabriel und Chinas Wang Yi bereits, um den Ausbau einer strategischen Partnerschaft zwischen den beiden Ländern anzukündigen.

Beim Treffen der G-20-Finanzminister Ende dieser Woche wird es auch um ein klimafreundliches Wirtschafts- und Finanzsystem gehen. China und Deutschland schauen beim Klimaschutz in die gleiche Richtung. Beide Länder sollten sich dafür einsetzen, dass die G 20 die Offenlegung von Klimarisiken entsprechend den Empfehlungen der Bloomberg-Taskforce vorantreibt. Ein deutsch-chinesisches Tandem könnte dem internationalen Klimaschutz zu neuer Durchschlagskraft verhelfen. Die Bundesregierung muss sich im Rahmen ihrer G-20-Präsidentschaft für eine Festigung der bilateralen Beziehung einsetzen und gemeinsam mit China für mehr multilaterale Kooperation werben.

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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