Außenansicht:Gegen Trumps Zorn

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Die Europäische Union und ihre Partner sollten dem US-Präsidenten etwas entgegensetzen.

Von Charles Kupchan

Bei ihrem Treffen Ende Juli haben US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen drohenden Handelskrieg zwischen den USA und der EU abgewendet - vorerst zumindest. Die beiden Politiker einigten sich auf die Beseitigung von Zöllen und anderen Handelsbarrieren, und die Europäer kündigten an, mehr US-Sojabohnen und Erdgas zu kaufen. Dass beide Seiten miteinander sprachen und eine Waffenruhe aushandelten, sind gute Neuigkeiten. Und statt die EU als "Feind" zu bezeichnen, wie er es auf seiner Europareise tat, kündigte Trump optimistisch "eine neue Phase" in den Beziehungen zwischen den USA und der EU an.

Dennoch ist Vorsicht geboten: Brüssel sollte zwar in gutem Glauben und mit Entschlossenheit Handelsgespräche mit Washington führen. Trotzdem sollten sich die Europäer der Unbeständigkeit Trumps bewusst sein sowie der Entschlossenheit, mit der er anscheinend die bestehende multilaterale Handelsordnung zu dekonstruieren versucht. Das Disruptive ist zu Trumps politischem Markenzeichen geworden - und das gibt wenig Anlass zu der Hoffnung, dass ein Handelskrieg zwischen EU und USA bereits überstanden ist. Möglicherweise war Trumps zuvorkommendes Auftreten bei dem Treffen mit Juncker nichts anderes als ein taktisches politisches Manöver, das darauf abzielte, die Unterstützung der Sojabauern zu erhalten, die wegen chinesischer Vergeltung gegen US-Zölle Schaden genommen hatten. Darüber hinaus steht ein neues transatlantisches Handelsabkommen vor großen Hürden. Die Obama-Regierung und die EU arbeiteten lange erfolglos an der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Trump hat bereits deutlich gemacht, dass er über neue Zölle für Autoimporte aus der EU nachdenkt.

Dementsprechend muss die EU einen Plan B vorbereiten. Europa und seine gleichgesinnten Partner sollten einen Fahrplan entwickeln, um die multilaterale Handelsordnung zu bewahren, die Trump zu gerne zerstören würde. Konkret sollten die EU, Japan, Kanada und andere Befürworter eines regelbasierten Handelssystems zu Vorreitern im Kampf für ein solches System werden. Sie sollten die bestehende multilaterale Ordnung nutzen, um die von Trump zu Recht angesprochenen Ungleichheiten im globalen Handel zu korrigieren.

Trump mag auf multilaterale Institutionen mit der Abrissbirne losgehen, aber er hat recht damit, dass die internationalen Handelsverträge erneuert werden müssen und dass einige Länder, insbesondere China, unfaire Vorteile genießen. Bislang ist Trumps Heilungsversuch jedoch schlimmer als die Krankheit selbst. Indem er Ungleichgewichte mit einseitigen Zöllen beseitigen will, anstatt mit gleichgesinnten Staaten zusammenzuarbeiten, bringt er viele Länder gegen die Vereinigten Staaten auf, stört das Gleichgewicht der Märkte, erhöht die Preise für Verbraucher und bedroht die Handelsordnung. Am ehesten aber lässt sich eine neue Runde von Protektionismus verhindern und eine stabile Handelsordnung bewahren, wenn die globalen Ungleichgewichte durch jenes regelbasierte System beseitigt werden, das Trump zu untergraben versucht.

Trumps giftige Mischung aus Populismus und Protektionismus hat den Westen auf einen gefährlichen Weg gebracht. Die Spannungen im Handel sind zumindest im Moment besorgniserregender als die in der Sicherheitspolitik. Während seiner Europareise beschimpfte Trump die Nato-Verbündeten, unterminierte die Regierung von Premierministerin Theresa May und lag Präsident Putin zu Füßen. Aber er stimmte dem abschließenden Kommuniqué der Nato zu und zeigte sich relativ optimistisch in Bezug auf das Bündnis. Amerikanische Truppen bleiben in Europa, und die Ausgaben der USA für die europäische Verteidigung steigen.

Im Gegensatz dazu tritt eine gefährliche Dynamik in die Handelsfront ein. Trumps Groll wächst, da sich die von den US-Zöllen betroffenen Länder eher rächen, als sich seinem Willen zu beugen. Wen Trumps Zorn trifft, der wird sich entschieden gegen US-Präsidenten stellen, schon weil seine eigenen Wähler den Widerstand gegen das Mobbing einfordern. Möglicherweise verhindern bruchstückhafte Abkommen, wie das von Trump und Juncker, die Eskalation. Aber das ist unwahrscheinlich. Wenn sie die Handelsordnung erhalten wollen, brauchen Europa, Kanada, Japan und gleichgesinnte Demokratien eine alternative Strategie.

Diese Strategie muss drei Überlegungen folgen: Erstens gehören alle Verhandlungsgespräche in die WTO. Trump möchte alle Gespräche auf bilateraler Basis führen, in der Hoffnung, dass dies den USA mit ihrem großen Markt einen Vorteil verschafft. Andere Länder sollten jedoch versuchen, die berechtigten Anliegen der USA aufzunehmen und zugleich die regelbasierte Ordnung zu stärken. Wer das System retten will, darf es nicht umgehen, sondern muss mit ihm arbeiten.

Zweitens sollte endlich das offensichtliche Problem angesprochen werden: China. Ja, der Handel in Nordamerika und auf der anderen Seite des Atlantiks kann gerechter gestaltet werden, aber das sind kleine Korrekturen. Die schwierigste Aufgabe ist es, den Wettbewerb mit China auf Augenhöhe zu führen, dessen staatlich geführte Wirtschaft den Welthandel dramatisch verzerrt. Neue Regeln und Durchsetzungsmaßnahmen müssen Chinas Subventionen reduzieren, den Technologietransfer sowie den Diebstahl geistigen Eigentums verhindern. Dabei sollten die USA Hand in Hand mit der EU und ihren Handelspartnern arbeiten - und zwar in der WTO.

Drittens sollte die Zukunft der Arbeit im Fokus stehen, die Automation, nicht nur der faire Handel. Überall stehen Regierungen vor der Herausforderung, ihren Bürgern zu Wohlstand zu verhelfen, während gleichzeitig Technologie und globaler Wettbewerb die Ungleichheiten vergrößern. Werden die Vorteile der Globalisierung nicht gerechter verteilt, werden die Länder versuchen, sich gegenseitig vom internationalen Wettbewerb auszusperren.

Die USA haben nach dem Zweiten Weltkrieg die Weltwirtschaft hin zu mehr Offenheit und Wohlstand gesteuert. Nun haben sie diese Rolle zumindest vorübergehend aufgegeben. Andere müssen die Lücke füllen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte gerade einen "Weg zurück zu starkem Multilateralismus". Er drängte die EU, die Führung bei einem Neustart der WTO zu übernehmen. Man sollte neuen Handelsgesprächen zwischen den USA und der EU eine Chance geben. Aber die EU sollte auch bereit sein, die Verhandlungen in die WTO hineinzutragen - ehe die Welthandelsordnung in Trümmern liegt.

© SZ vom 09.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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