Außenansicht:Die Bank an Chinas Seite

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Korinna Horta, 64, Umweltökonomin, ist bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation "Urgewald" Expertin für globale Finanzpolitik. Sie lebt in Washington und Portugal. (Foto: oh)

Mit Investitionen in aller Welt versucht Peking, seinen Einfluss auszubauen. Die Gründung der multinationalen Bank AIIB ist da ein echter Coup - und die Beteiligung Deutschlands eine Gefahr: Werden Demokratie, Umweltstandards, Menschenrechte ausgehebelt?

Von Korinna Horta

Viele Menschen runzeln nun die Stirn und fragen, wie Europa mit den wirtschaftlichen und geopolitischen Auswirkungen von Chinas Investitionen in strategisch wichtige Sektoren umgehen soll. Dabei lassen sie aber oft außer Acht, dass dabei auch Deutschland eine eigene Rolle spielt - durch seine Beteiligung an der von Peking geführten Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB).

Auch wenn die junge AIIB bisher nur ein kleiner Teil der chinesischen Investitionsstrategie ist, steht sie für einen intelligenten Schachzug im globalen Machtgefüge. Peking steht zum ersten Mal an der Spitze einer multilateralen Bank, die durch die Beteiligung Deutschlands und anderer westlicher Staaten internationale Glaubwürdigkeit gewonnen hat. Das belegen die Reaktionen der internationalen Ratingagenturen, die ihr im Sommer 2017 das gleiche hohe Rating gegeben haben wie der Weltbank und anderen multilateralen Banken.

Mit der Gründung ist Peking ein globaler Coup gelungen. Die G-7-Länder sind gespalten: Die USA und Japan sind der AIIB nicht beigetreten, Deutschland und andere europäische Staaten dagegen Gründungsmitglieder. Seit ihrer offiziellen Geschäftsaufnahme 2016 hat sich die AIIB in Rekordzeit zu einem der wichtigsten globalen Akteure bei der Finanzierung großer Infrastrukturprojekte entwickelt. Sie zählt mittlerweile 67 Mitglieder und weitere 20 Anwärter für eine Mitgliedschaft. China ist bei Weitem der größte Anteilseigner und genießt Vetorecht. Deutschland steht an vierter Stelle und ist der wichtigste westliche Anteilseigner. Das zuständige Bundesfinanzministerium begründete den deutschen Beitritt damit, sich so für hohe Standards und beste Verfahrensweisen in der neuen Bank einsetzen zu können.

Das Geschäft der AIIB sind große Infrastrukturmaßnahmen, die zusammengedacht werden müssen mit Chinas Initiative für eine Neue Seidenstraße. Bei beiden geht es um Investitionen in Exportkorridore, Kraftwerke, Pipelines, Häfen und dergleichen. Doch große Projekte dieser Art bringen hohe Risiken mit sich, die von schweren Umweltschäden und Zwangsvertreibungen bis hin zu massiver Korruption reichen. Verbindliche Richtlinien zu Transparenz und Umwelt- und Sozialstandards sind hier fundamental wichtig. Bisher ist die AIIB noch im Aufbau und beteiligt sich vor allem an Investitionen anderer Banken, wo deren Standards zum Tragen kommen. Das ändert sich nun rapide mit der Entwicklung eines eigenen Portfolios.

"Lean, clean and green" - so möchte die neue Investmentbank ihrer Selbstdefinition zufolge sein. Sie stellt sich als neue Art Bank für das 21. Jahrhundert dar, die mit geringem Personalaufwand (lean) umweltfreundliche Projekte (green) finanziert und keine Korruption toleriert (clean). Mit ihrem Detailwissen zu den Verfahren anderer multilateraler Banken und mit der Hilfe von globalen Werbeagenturen wie Saatchi & Saatchi finden sich bei der AIIB all die richtigen Slogans und Schlagworte. Aber bei näherem Blick fehlt es an greifbarer Substanz. So enthalten Umwelt- und Sozialstandards der Bank zwar die richtigen Stichworte, faktisch aber gibt es zahlreiche Schlupflöcher. Die Priorität der AIIB ist Effizienz, also schnelle Kreditbewilligung. Dabei ist vorauszusehen, dass sie langfristige ökologische und soziale Risiken ihrer Projekte nicht richtig einschätzt. Wissenschaftler befürchten, dass der Wunsch der Bank, ganze Gebiete mit großer Infrastruktur neu zu erschließen, Naturzerstörung, den Verlust vieler Arten und Landraub nach sich ziehen wird.

Ein Prüfstein für die AIIB wird ihre Politikrichtlinie zu Transparenz sein, die bis Ende dieses Jahres verabschiedet werden soll. Infrastrukturprojekte, die weitgehend frei von Korruption und umweltschonend sind, setzen maximale Transparenz und die Einbeziehung der Öffentlichkeit voraus. Oft genug führen intransparente Entscheidungsprozesse zu unwirtschaftlichen und unsinnigen Projekten, die gewaltige Schuldenberge hinterlassen.

Aber auch hier sieht es bei der AIIB nicht gut aus. Ein Entwurf für die Transparenzrichtlinie enthält gute Schlagworte, aber keine Vorgaben, welche Informationen die Öffentlichkeit wann erhalten soll. Das widerspricht der gängigen Praxis der Weltbank und anderer multilateraler Banken. Bei Projekten mit hohen Umwelt- und Sozialrisiken veröffentlichen sie die entsprechende Projektdokumentation zwischen zwei und drei Monate vor der Bewilligung der Kredite. Das sind wichtige Vorgaben, denn nur vor der Bewilligung eines Projekts können die betroffenen Menschen Einfluss nehmen, um Zwangsumsiedlungen und Umweltschäden so weit wie möglich zu begrenzen. Dass die AIIB diese Praxis beendet, ist ein schwerer Rückschlag.

Hinzu kommt: Der AIIB-Präsident darf ab 2019 Kredite für Regierungen von bis zu 200 Millionen und Kredite für Unternehmen von bis zu 100 Millionen US-Dollar allein bewilligen, ohne den Aufsichtsrat, also auch den Vertreter Deutschlands, einzubeziehen. Diese Summen sollen im Laufe der Zeit sogar noch steigen. Die Aufsicht durch Anteilseigner wie die Bundesrepublik wird offenbar als zeitraubend und kostspielig angesehen; wichtiger erscheint der Bank die Effizienz, also die schnellere Kreditbewilligung im Vergleich zu anderen Banken. Deutschland und andere westliche Länder haben zwar eine Regel durchsetzen können, nach der ein einzelnes Mitglied des zwölf Personen umfassenden Aufsichtsrats ein Projekt zur Diskussion bringen kann. Es ist jedoch vorhersehbar, dass die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder die Position der chinesischen Führung unterstützen wird. Deren Hauptinteresse liegt in der reibungslosen Bewilligung von Krediten. Auflagen zu Transparenz und Umwelt- und Sozialstandards sieht sie eher als lästige Hindernisse an.

So hat sich China mit der AIIB ein multilaterales Instrument geschaffen, das sich vielleicht sogar besser zur Umsetzung chinesischer Interessen eignet, als sich im Alleingang auf die eigene Wirtschaftsmacht zu stützen. Chinas undurchsichtiges politisches System und totalitäre Ansätze sind beunruhigend. Der öffentliche Zugang zu Information, die Rede- und Versammlungsfreiheit sind politisch empfindliche Bereiche in China und in einer wachsenden Anzahl von AIIB-Kreditnehmerländern. Kritische Stimmen und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen werden unterdrückt und kriminalisiert.

Deutschland und andere AIIB-Mitgliedsländer müssen daher sehr aufpassen, dass die Bank nicht zu einem Instrument für den Export einer Weltordnung wird, in der Menschenrechte und demokratische Werte zum Tabu werden. Die AIIB als separat von Chinas wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen zu betrachten, wäre naiv.

© SZ vom 27.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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