Auslieferung nach Den Haag:Karadzic-Anwalt legt Einspruch ein

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Die Einspruchsfrist ist um Mitternacht abgelaufen - und offenbar hat Radovan Karadzic rechtzeitig reagiert. Sein Anwalt soll Einspruch gegen seine Auslieferung an das UN-Tribunal eingelegt haben.

Das jahrelange Versteckspiel von Radovan Karadzic ist zu Ende - doch der Fall beschäftigt die Welt weiter. Denn der mutmaßliche bosnisch-serbische Kriegsverbrecher soll an das Haager UN-Tribunal ausgeliefert werden. Die Einspruchsfrist gegen diese Auslieferung lief in der Nacht zum Samstag ab - und offenbar hat sich Radovan Karadzic dazu entschlossen, gegen die Auslieferung vorzugehen.

Einspruch: Radovan Karadzic will gegen seine drohende Auslieferung vorgehen. (Foto: Foto: Reuters)

Die Tageszeitung Politika berichtete am Samstag, Karadzics Anwalt Svetozar Vujacic habe die Unterlagen am Freitagabend bei einem Postamt eingereicht. Bereits am Freitag hatte der Anwalt angekündigt, er werde fünf Minuten vor Schließung der Postämter um 20 Uhr handeln. Ob das Schreiben in einem Postamt in Belgrad aufgegeben wurde, wollte der Anwalt laut Politika nicht sagen.

Nach dem Einspruch muss nach Angaben einer Justizsprecherin in Belgrad ein Richtergremium darüber beraten. Anschließend wird der Fall an die Regierung übergeben, die den endgültigen Auslieferungsbeschluss erlassen werde. Vujacic hat erklärt, er rechne nicht vor kommendem Mittwoch mit einer Auslieferung Karadzics. Der Anwalt hat zudem eine Klage gegen die Ermittler eingereicht, die Karadzic verhaftet haben. Darin spricht er von einer Entführung.

Neffe meldet sich zu Wort

Sollte er nach Den Haag überstellt werden, will Karadzic sich selbst verteidigen. Auch der 2006 in UN-Haft gestorbene serbische und jugoslawische Expräsident Slobodan Milosevic hatte auf einen Anwalt verzichtet und sich selbst verteidigt.

Unterdessen ist auch die Frage geklärt, wieso sich Karadzic so lange versteckt halten konnte. Denn sein Neffe Dragan hat sich zu Wort gemeldet. In einem Interview mit der Zeitung Vecernje Novosti gab er an, er allein habe von Karadzics falscher Identität gewusst. "Ich war seine einzige Verbindung zur Familie und zur Welt da draußen", wurde Dragan Karadzic zitiert.

Er sei regelmäßig mit seinem Onkel zusammengetroffen, habe ihm bei der Anmietung verschiedener Wohnungen geholfen und ihn mit Vorräten ausgestattet. Angst vor Konsequenzen habe er nicht, sagte Dragan Karadzic: "Für mich ist er kein Flüchtling, er ist mein Onkel, der Bruder meines Vaters."

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