Auslieferung Karadzics:Die Frist ist abgelaufen

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Auch nach Ablauf der Einspruchsfrist ist unklar, ob und wann Radovan Karadzic an das UN-Tribunal in Den Haag überstellt wird. Zu seiner falschen Identität wurden neue Details bekannt.

Die Einspruchsfrist gegen die Auslieferung des mutmaßlichen bosnisch-serbischen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic an das Haager UN-Tribunal ist in der Nacht zum Samstag um Mitternacht abgelaufen. Ob rechtzeitig Einspruch eingelegt wurde, blieb zunächst aber unklar.

Ultranationalisten protestierten erneut gegen die Festnahme Karadzics. (Foto: Foto: AP)

Karadzics Anwalt Sveta Vujacic hatte am Freitag angekündigt, er werde seine Einwände fünf Minuten vor Schließung der Postämter um 20.00 Uhr schriftlich einreichen.

Zuvor hatte die Nachrichtenagentur Tanyug den Anwalt mit den Worten zitiert, er werde bestimmt nicht selbst zum Briefkasten gehen, denn jeder Kurier könne dies an jeden Postamt in Serbien erledigen. Beobachtern zufolge ist Vujacic sichtlich darum bemüht, Entscheidungen so lange wie möglich hinauszuzögern.

Sollte ein Einspruch eingehen, muss ein Richtergremium darüber beraten, wie eine Justizsprecherin in Belgrad erläuterte. Anschließend werde der Fall an die Regierung übergeben, die den endgültigen Auslieferungsbeschluss erlassen werde. Vujacic hat erklärt, er rechne nicht vor kommendem Mittwoch mit einer Auslieferung. Der Anwalt hat zudem eine Klage gegen die Ermittler eingereicht, die Karadzic verhaftet haben.

Darin spricht er von einer Entführung. Einmal in Den Haag will Karadzic sich selbst verteidigen.

Mehrere hundert Ultranationalisten hatten indes in Belgrad erneut gegen die Verhaftung des früheren Präsidenten der bosnischen Serben protestiert. Die Demonstranten riefen in Sprechchören Karadzics Namen und kritisierten die prowestliche serbische Regierung. Ein Kameramann des unabhängigen Fernsehsenders B-92 wurde bei einem Angriff von Demonstranten leicht verletzt.

Hat Wiener Polizei Karadzic kontrolliert?

Unterdessen wurden neue Details zur falschen Identität Karadzics bekannt. So soll er sich als Heiler auch in Wien aufgehalten haben. Die Wiener Polizei hat ihn möglicherweise bereits im vergangenen Jahr überprüft, aber nicht erkannt.

"Es verdichten sich die Indizien, dass er sich tatsächlich in Wien aufgehalten hat", sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Freitag in Wien. Die Wiener Polizei habe im Mai vergangenen Jahres nach einem Mord an einem Serben in Wien mehrere Wohnungen durchsucht. In einer hätten Beamten einen Mann angetroffen, der wie der nun festgenommene Karadzic ausgesehen habe.

Da der Mann aber einen auf den ersten Blick gültigen kroatischen Pass besaß, sei man der Sache nicht weiter nachgegangen, so der Sprecher. In Zusammenarbeit mit serbischen und kroatischen Behörden will Österreich nun klären, ob es wirklich der gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher war.

Die Wiener Zeitung Der Kurier hatte berichtet, dass Karadzic als Wunderheiler in Wien tätig gewesen sein soll. Er habe unter dem Namen "Pera" in der österreichischen Hauptstadt Patienten behandelt. Er sei mehrfach nach Wien gereist, habe dort stets bei serbischen Familien gewohnt. Außerdem habe er auch als Heiler in Italien praktiziert.

Das Innenministerium schloss nicht aus, dass es sich bei "Pera" um denselben Mann handelte, den auch die Polizisten in der Wohnung überprüften.

Dragan Dabic lebt

Des weiteren teilte die serbische Regierung unterdessen mit, Dragan Dabic, dessen Identität Karadzic angenommen hatte, sei am Leben. Der 66-jährige Bauer und Bauarbeiter aus Ruma nördlich von Belgrad sei entsetzt gewesen, als er erfahren habe, dass einer der weltweit meistgesuchten Kriegsverbrecher unter seinem Namen gelebt habe, erklärte der Regierungsbeamte Rasim Ljaric am Donnerstag.

Die Identität in den Pässen der beiden Männer stimme 100-prozentig überein - bis auf das Foto. Ursprünglich hatte es geheißen, der Namensgeber Dragan Dabic sei während des Bosnien-Kriegs 1993 ums Leben gekommen, was Karadzic die ideale Chance geboten habe, dessen Identität zu stehlen. Allerdings ist der Name nicht ganz selten. Allein in Belgrad stießen die Behörden nach eigenen Angaben auf sieben Personen dieses Namens. Einige davon waren in jüngerer Zeit gestorben, andere lebten noch.

© AFP/dpa/AP/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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