Ausländerrecht:Ausreisen oder einfahren

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Die Bundesregierung beschließt scharfe Regeln für Abschiebungen - trotz aller Kritik an den Plänen von Innenminister Seehofer.

Von Constanze von Bullion und Anna Reuß, Berlin

Innenminister Horst Seehofer (CSU) gibt sich „höchst zufrieden“. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Der Bundesinnenminister zeigte sich "höchst zufrieden". Nach Kontroversen mit der SPD und eilig eingeholten Stellungnahmen von Verbänden und Ländern hat das Kabinett am Mittwoch das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz beschlossen. Es sieht vor, den Druck auf Asylbewerber, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, deutlich zu erhöhen, damit sie abgeschoben werden können. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, die Wirksamkeit des Gesetzentwurfs liege "um ein Vielfaches" höher als entsprechende Maßnahmen seines Vorgängers Thomase de Maizière (CDU), dessen Reform "mehr Fragen aufgeworfen als Antworten" geliefert habe.

2018 scheiterten 31 000 Rückführungsversuche, abgeschoben haben die Bundesländer nur 26 000 Menschen. Dies könne man "nicht hinnehmen", sagte Seehofer am Mittwoch. Künftig müssen vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber mit Sanktionen rechnen, wenn sie nicht an der Beschaffung ihrer Reisedokumente mitwirkten oder eigene finanzielle Mittel verschwiegen hätten. Zudem sollen rund 500 zusätzliche Abschiebehaftplätze geschaffen werden. Dies sei "zumutbar" für die Länder. In Zukunft sollen die Behörden auch lebenslange Wiedereinreisesperren für Intensivtäter verhängen können. Bei aller Zufriedenheit mit den nationalen Maßnahmen sei in der Flüchtlingsfrage auch eine europäische Lösung nötig, sagte Seehofer: "Wir können nicht jede Woche herumtelefonieren, wo welches Schiff anlegt."

Das "Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht", das als Geordnete-Rückkehr-Gesetz Kontroversen auslöste, soll Abschiebungen beschleunigen. Abgelehnte Asylbewerber, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, sollen künftig erheblichem Druck ausgesetzt werden - etwa wenn sie keinen Pass vorlegen und nicht zur Beschaffung von Ersatzpapieren beitragen. "Die Verletzung von Mitwirkungspflichten während des Asylverfahrens kann zukünftig in größerem Umfang als bisher zu Leistungseinschränkungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz führen", heißt es im Entwurf aus dem Bundesinnenministerium.

Ausreisepflichtige müssen künftig aktiv zu ihrer eigenen Abschiebung beitragen. Dazu gehört es, bei der Botschaft ihres Herkunftsstaates Ersatzpapiere zu beantragen und dort auch freiwillig ihre Bereitschaft zur Rückkehr zu erklären. Wer solche Mitwirkungspflichten nicht erfüllt, muss mit Arbeitsverbot, längerem Verbleib in Ersteinrichtungen und gekürzten Sozialleistungen rechnen.

Dass Migranten, die nicht beim Klären ihrer Identität mitwirken, einen schlechteren Status bekommen als regulär Geduldete, hatte die SPD zunächst als "Duldung light" kritisiert. Nun führt das Gesetz eine andere Kategorie ein: die "Duldung für Personen mit ungeklärter Identität". Gemeint sind Fälle, bei denen ein Asylbewerber "das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit" selbst herbeiführt - oder anderweitig nicht zur Klärung seiner Identität beiträgt.

Liegen wiederholte Straftaten vor, ein Verstoß gegen Auflagen oder fehlt eine feste Anschrift, soll künftig erweiterte Sicherungshaft drohen. Neu eingeführt wurde die "Mitwirkungshaft". Aus ihr heraus sollen unkooperative Asylbewerber Vertretern ihrer Botschaft vorgeführt werden können. Geplant ist auch, dass Ausländerbehörden keine Fluchtgefahr mehr nachweisen müssen, wenn Migranten in Ausreisegewahrsam sollen. Zur Abschiebung soll die Verurteilung zu einer Haftstrafe von sechs Monaten reichen, bisher war es ein Jahr. Anders als im EU-Recht vorgeschrieben, sollen Abschiebehäftlinge zudem drei Jahre lang auch in gewöhnlichen Haftanstalten untergebracht werden können, abgetrennt von Strafgefangenen.

Von den Grünen kam Kritik. "Der Gesetzentwurf ist einseitig, verfassungsrechtlich höchst fragwürdig und für die Integration schädlich. Statt endlich unsere Einwanderungsgesellschaft aktiv zu gestalten, scheint Horst Seehofers Ziel Integrationsverhinderung um jeden Preis zu sein", erklärten die Bundestagsabgeordneten Luise Amtsberg und Filiz Polat.

Das Kabinett beschloss am Mittwoch auch, die Prüffrist für Asylentscheidungen zu verlängern. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) brachte zudem einen schon lange fälligen Entwurf ein, der die Leistungen für Asylbewerber den gestiegenen Lebenshaltungskosten anpasst. Ein weiteres Gesetzesvorhaben sieht vor, dass Geflüchtete Zugang zu Sprach- und Berufsförderung bekommen, auch wenn sie in Deutschland nur geduldet sind.

© SZ vom 18.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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